Medellín – Wiedersehen im ewigen Frühling

Kolumbien
Von außen erinnert das Castillo Echavarriá an das Disneyland-Schloss. Drinnen fühlen wir uns zwischen Löffelsammlungen, prunkvollen Kronleuchtern und Kandelabern wie in Europa. Von den Gärten aus überblicken wir die gigantische Stadt Medellín, die über vier Millionen Einwohner zählt und zwischen die Berge gebaut ist. Mit einem Schlösschen hätten wir in Medellín wirklich nicht gerechnet. Und hätten es vermutlich auch nicht gesehen, wären da nicht Marcela und German. Marcela hat mit Anna zusammen in Stuttgart studiert und es ist für uns die reinste Freude, sie nach fünf Jahren wiederzusehen und ihren Mann kennenzulernen.


El Poblado wird auch Las Manzanas de Oro („die goldenen Blocks“) genannt. Das Geschäftsviertel Medellíns steckt voller hipper Cafés, Restaurants, Parks und Flussläufe. Hier leben die gut Betuchten und auch die meisten Backpacker kommen im Poblado unter, da es so schön und sicher ist. Unsere Unterkunft liegt in einer besonders ruhigen Straße und die Umgebung erinnert eher an einen botanischen Garten als an eine Großstadt. Die Wohnung bietet alles, was wir brauchen: ein großes Zimmer mit Platz für Yoga, einem Schreibtisch und eine Küche, in der wir uns Avocado-Bananen-Mangostino-Smoothies mixen und Arepas aufwärmen. Die ganze Wohnung ist über AirBnB vermietet und so lernen wir immer wieder junge und ältere Reisende kennen, vor allem aus den USA. Besonders gefällt uns das perfekte Klima: fast immer sonnig, tagsüber 25 Grad, nachts 15 Grad. Und so ist es hier das ganze Jahr über. „Ciudad de la eterna primvera“, wird Medellín daher in Kolumbien genannt, Stadt des ewigen Frühlings.


Vom Cerro Nutibara überblicken wir die nächtlich beleuchtete Metropole. Auf dem Hügel ist die Miniatur eines Pueblo Paisa errichtet, also eines traditionellen Dorfs der Region Antioquia, die sich besonders durch ihre Balkons auszeichnen. Beim Abendessen stellen wir lustigerweise fest, dass Marcela keine Mangostinos und ihre Kollegin Claudia keine Guamas kennt, während wir als Nicht-Kolumbianer schon beides probiert haben. Und wir erfahren einen Fun Fact: in den ärmeren Gegenden Medellíns mieten sich die Einheimischen Waschmaschinen, die per Motorroller bei ihnen vorbeigebracht werden. Warum auch immer scheint es bequemer zu sein, die Waschmaschine zur Wäsche zu fahren als umgekehrt.


Die Plazoleta de las Esculturas wird von zahlreichen Statuen dicker Menschen und Tiere des Künstlers Fernando Botero gesäumt. Der architektonisch auffallende Palacio de la Cultura Rafael Uribe Uribe beherbergt heute Ämter der Stadtverwaltung, doch man darf nach einer Registrierung durch den Innenhof voller Azaleen und die Gänge mit urbanen Kunstwerken spazieren. Im Jardín Botánico chillen riesige Leguane am See zwischen den Einheimischen, die gerade ihr Sonntagspicknick veranstalten. Wir erfahren, dass es in Kolumbien über 4.000 Orchideenarten gibt, so viele wie sonst nirgends auf der Welt. Auf dem riesigen Indoor-Markt Plaza Minorista José Maria Villa probieren wir die typisch kolumbianische Mais-Milchsuppe Mazamorra und kaufen Mangostinos für Marcela zum Probieren. Hier stoßen wir wieder auf die krassen Kontraste Kolumbiens: morgens sind wir noch an einem Porsche-Händler vorbeigefahren, während rund um den Markt viele Menschen auf der Straße leben und in dreckigen Straßen im Müll wühlen, darunter vermutlich viele Flüchtlinge aus dem Nachbarland Venezuela.


Medellín hat eine bemerkenswerte Transformation durchlebt. 1992 galt es als die gefährlichste Stadt der Welt und es kam zu fast 7.000 Morden innerhalb eines Jahres, hauptsächlich verursacht durch Drogenkriminalität und Guerillakämpfe. Nur 20 Jahre später wurde Medellín dann 2013 vom Urban Land Institute zur innovativsten Stadt der Welt gekürt, nicht zuletzt wegen der Verbesserung der Mobilität in den sozial schwächeren Gegenden durch den Bau von Seilbahnen (Metrocables). Hinauf, herab und wieder hinauf - mit der Metrocable schweben wir über die Häuser und Slumviertel der Randbezirke nach La Aurora. Es bieten sich uns spektakuläre Blicke über die Berge und Dächer der riesigen Stadt. Tiefere Einblicke in die Hintergründe und den Wandel Medellíns bekommen wir bei einer Führung durch die berüchtigte Comuna 13.


Die steilen Straßen, engen Gassen und dunklen Ecken der Comuna 13 sind in einen zerklüfteten Berghang gebaut. Heute steckt der strukturschwache Stadtteil, zu dem 22 legale und illegale Viertel zählen, voller Streetart und ist sehr touristisch: überall sind Straßenstände, Hip Hop- und Breakdance-Darbietungen, während ein paar Polizistinnen die einheimischen Kinder mit Tanzspielen bei Laune halten.


Unser Guide Chano erzählt uns von den Straßenkämpfen zwischen Guerillas, militärischen und paramilitärischen Gruppen. Die zwei größten und schlimmsten militärischen Interventionen namens Mariscal und Orión wurden 2002 ohne Rücksicht auf Verluste durchgeführt. Die Operationen haben ihre Spuren in der Comuna 13 hinterlassen, nicht zuletzt in Form von Schusslöchern, die von den beteiligten Helicoptern stammen. Von Chano erfahren wir die Hintergründe der Graffitis, die von der dunklen Vergangenheit, dem Veränderungsprozess und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft angeregt wurden. Die Suche nach einem besseren Leben hat einige unserer Tourgruppe ins Ausland gezogen: Chano ist vor acht Monaten aus Venezuela nach Medellín gekommen, um hier zu arbeiten. Die Kolumbianerin Ana Cristina und ihr Mann sind dagegen vor einigen Monaten aus den USA zurückkehrt, wo sie jahrzehntelang gelebt haben.


Im 11. Stock des Dann Carlton Hotels treffen wir Marcela, wo sie bei einer Versicherung ein 30-köpfiges Team leitet. Zusammen fahren wir durch den Berufsverkehr nach Sabaneta, was mit 40.000 Einwohnern in Kolumbien als Dorf (pueblo) gilt. Hier leben Marcela und German in einer Hochhaussiedlung mit Pool, Sauna und schönem Ausblick. Wir schwimmen eine Runde im Pool, essen leckere Tortilla-Pizza und schauen uns gemeinsam ihr Hochzeitsvideo an, wo alle Gäste die ganze Feier über tanzen. Im Dorfkern probieren wir Buñuelos, typisch kolumbianische mit Käse gefüllte, frittierte Maisteig-Kugeln.


Wir treffen noch eine weitere Freundin. Juanita hat mit Anna vor sechs Jahren ein Praktikum in Buenos Aires gemacht. Sie kommt ursprünglich aus Manizales, arbeitet jetzt in Medellín und lebt mit ihrer Schwester in einem hippen Viertel, die eine Schauspielschule besucht. Im Café Zorba lassen wir uns köstliche Pizza und Hummus schmecken. Und weil es so schön war, gehen wir hier zum Abschied nochmal mit Marcela und German essen.


In Medellín haben wir viele tolle vegetarische Restaurants entdeckt: Verdeo, Mundo Verde, Veg-Station und das Café Zorba in El Poblado, den Food-Court Mercado del Tranvía und das Govinda‘s im Stadtzentrum, wobei letzteres von der Hare Krishna Community betrieben wird.


Und hier noch ein paar weitere Impressionen:

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