Bonjour, Cienfuegos! Ein Triumphbogen, neoklassizistische Gebäude und Prachtmeilen mit französischen Fassaden zieren die Innenstadt. Kubas „Perle des Südens“ wurde nämlich von Franzosen gegründet. Am Parque José Martin wartet das Teatro Tomás Terry mit einer schiefen Bühne auf, seit deren Hebemechanismus vor einigen Jahrzehnten den Geist aufgegeben hat. Das himmelblaue Casa de la Cultura Benjamin Duarte trumpft mit italienischen Marmorböden, französischen Antiquitäten und einer Kuppel mit einer schmiedeeisernen Treppe auf dem Dach auf, von der aus wir den Blick über die Dächer der Stadt bis zum Meer genießen. Und im grünen Innenhof unseres Casa Partiular namens Hostal La Cascada lässt es sich gut bei kubanischen Salzkeksen mit Guavenmarmelade entspannen.

Per Pferdekutsche fahren wir durch den Slum-ähnlichen Vorort, während aus den Boxen schrille Latino-Musik dröhnt. Wie in Havanna sind viele der weißen Gräber auf dem Cementario de la Reina mit Engelsstatuen verziert. Auf einer sonnt sich gerade ein blau-grünes Chamäleon. Wegen des hohen Grundwasserspiegels sind die Gräber in Cienfuegos oberirdisch, so auch in den Friedhofsmauern. Auf der Rückfahrt bitten wir unseren Chauffeur, die Lautstärke der jetzt noch schrilleren Musik zu drosseln...

In einer Fähre oder besser gesagt einem restlos überfüllten Kahn tuckern wir über die Bahía de Cienfuegos in Richtung Karibik. Die Befestigungsanlage des Castillo de Nuestra Señora de los Ángeles ist aus dem Jahr 1738 – also fast 100 Jahre älter als Cienfuegos selbst – und überwachte den strategisch wichtigen Punkt der Passage zur Bucht. Außer Waffen und Legenden gibt es hier nicht allzu viel, aber der Blick aufs offene Meer ist nett. Als wir zurück tuckern, sehen wir ein Atomkraftwerk hinter den Hügeln aufragen, das Ende der 80er Jahre mit Unterstützung aus der Sowjetunion zu bauen begonnen, nach der Wende allerdings nie fertiggestellt wurde.

Wir warten. Unser Taxifahrer hat uns 15 Minuten zu früh am Eingang des Reservats abgeliefert. Dieser öffnet dann 15 Minuten später als angegeben, kubanisch pünktlich also. Es dauert gefühlt weitere 15 Minuten, bis die drei Damen vor uns ihre Eintrittskarten gekauft haben. Wie in Kuba vielerorts üblich muss jeder einzelne Pass im Detail erfasst werden - wozu auch immer. Ob wir hier Wasser kaufen könnten? Nein, es gäbe nur Rum... Da heute irgendwie zu viele Touris aufgetaucht sind, müssen wir zu dritt in die Ruderboote, weshalb wir beide uns aufteilen und uns zu Paaren aus Belgien und der Schweiz gesellen.

Pelikane landen toll-platschig im Wasser und ein Kanarienvogel breitet seine Flügel schützend über seine Küken aus, während unsere Guides die Boote über die Laguna Guanaroca rudern. Das Highlight des flachen Salzsees sind die Flamingos, die sich am Ufer der Mangroven ihr Shrimp-Frühstück schmecken lassen. Zuerst sehen wir sie nur aus der Ferne, da die Boote einen Abstand von mindestens 100 Metern einhalten. Als die Flamingos majestätisch über uns hinwegfliegen, können wir die noch weißen Jungtiere von den rosafarbenen Ausgewachsenen unterscheiden, die schon mehr Shrimps intus haben. Momentan halten sich in der Lagune nur etwa 200 junge und verwitwete Flamingos auf, während über 2000 weitere zur Paarungszeit nach Florida geflogen sind. Damit wären Flamingos gegenüber Menschen klar im Vorteil, was unbürokratische Reisemöglichkeiten zwischen Kuba und den USA angeht.

US-Amerikaner durften zu dem Zeitpunkt wieder nur in organisierten Gruppenreisen nach Kuba, seit Trump die entsprechende Lockerung Obamas rückgängig gemacht hat. Was das konkret heißt, dürfen wir im Jardín Botánico hautnah miterleben. Da gerade keine Guides verfügbar sind, sollen wir uns einer amerikanischen Busreisegruppe anschließen. Diese hat dann sogar zwei Guides: einen Garten-Guide und einen Babysitter-Guide. Beide beschallen die Amis mithilfe ihrer Mikros und dröhnenden Lautsprecher. Der ältere Garten-Guide ist ein verrückter Entertainer, der interessante bis banale Infos in sein Mikro brüllt, dabei wild gestikuliert und sich manchmal insgeheim über seine Zuhörer lustig zu machen scheint. Der jüngere Babysitter-Guide umschwirrt derweil die Gruppe mit allerlei überflüssigen Hinweisen. „Be careful. Car coming! … You can go there but watch your step. Its very steep. … Better listen from here in the shade...“

Neben dieser urkomischen Show bekommen wir interessante Einblicke in die kubanische Flora und Fauna. Wir sehen mehrere Chamäleons und einen Tocoroco, den kubanischen Nationalvogel, der in seinem Gefieder die Farben der kubanischen Flagge vereint (rot, blau, weiß). Neben Teak- und Ebenholzbäumen spazieren wir an einem 94-Jahre alten Bambus vorbei und probieren das Fruchtfleisch eines Cashew-Nussbaums. Nach der Touri-Tour genießen wir die Ruhe, als wir alleine durch den idyllischen Palmengarten spazieren. Foreshadowing bzw. Nachtrag: Exakt vier Wochen später verbietet die US-Regierung touristische Reisen nach Kuba mit sofortiger Wirkung, wie wir in Kolumbien von einem Kalifornier erfahren werden. Wodurch sich die Busreisenden rückblickend glücklich schätzen können, trotz des Kindergartens.

Cienfuegos ist eine Stadt der Kubaner, die die meisten Touris offenbar nur kurz auf der Durchreise streifen. Entsprechend gibt es hier viele Restaurants, die sich an Kubaner richten und in denen wir in authentischem Flair für kleines Geld köstlich kubanisch speisen. Im Las Mamparas wird uns ein riesiges vegetarisches Menü aufgetischt, wozu wir das in Kuba beliebte und wahnsinnig süße Malzbier probieren. (Zum Vergleich: In der Mittagspause der siebenstündigen Busfahrt von Viñales nach Cienfuegos hätten wir das vierfache bezahlt, um schnell ein Touri-Buffet herunterzuschlingen.) Im edlen Casa Prado lassen wir uns in kleinen Räumen mit hohen Decken Paella schmecken. Während sich das neue Restaurant Paulina mittags mit Einheimischen füllt, trudeln nach und nach die Mitglieder einer Live Band ein, wodurch sich ständig neue Instrumente zur Musik hinzugesellen. Mit ihren Leopardenhemden und Sonnenbrillen sehen die Bandmitglieder so cool aus wie ihre Jazzrhythmen klingen.

„Eis für alle“ könnte der Slogan der staatlichen Eisdiele Coppelia heißen - wenn ein Slogan an sich nicht zu kapitalistisch wäre. Zuerst heißt es auf der Straße Schlange stehen, wobei die Wartezeit umso länger ist, je mehr Eisspezialitäten auf der Tafel angeschlagen sind. Vom Türsteher bekommt man einen Tisch zugewiesen, was in der Regel bedeutet, dass man sich zu wildfremden Leuten setzt. Es gilt offenbar, möglichst viele Leute möglichst schnell mit möglichst viel Eis zu versorgen und das mit möglichst wenig Arbeitsaufwand (wie Tische abwischen), ergo zu möglichst niedrigen Preisen. Das Ambiente erinnert eher an den Pausenraum einer Fabrik als an eine Eisdiele, nach Chlor schmeckendes Wasser wird ungefragt auf den Tisch geknallt, das Eis wird in zweckmäßigen Plastikschüsseln serviert. Jetzt heißt es schnell sein, denn bei 30 Grad plus schmilzt es vor unseren Augen dahin. Manchmal gibt es nur eine Eissorte, manchmal mehr - Rizado de Chocolate, Almendra, Moscatel, Naranja Piña - , manchmal dazu noch ein Stück Schokokuchen. Die Krönung sind die Preise. Hier wird in Moneda Nacional bezahlt, sodass eine Kugel Eis umgerechnet nur 0,02 Euro (!) kostet. Auch für die Einheimischen scheint es ein Schnäppchen zu sein, da sich viele gleich mehrere Schüsseln voller Eis bestellen. Vielleicht sind die Kubaner so lebensfroh, weil es Eis und Rum praktisch umsonst gibt?

Voller Schlaglöcher ist die Straße nach Punta Gorda, entsprechend ruckelig ist die Fahrt in der klapprigen Pferdekutsche. Auf der Landzunge des Centro Recreativo genießen wir mit Mojitos das abendliche Karibik-Flair in der französischen Stadt. Während ein paar Kubaner im Meer planschen, geht auch die Sonne hinter einem Wolkenschleier baden. In der Laguna Guanaroca versammeln sich die Flamingos in der Mitte des Sees dicht an dicht zur Nachtruhe. Bonne nuit, Cienfuegos!

Und hier noch ein paar weitere Impressionen: