Viñales – ländliche Idylle zwischen Karstfelsen

Kuba
"Caballo", treibt der Kutscher das Pferd an, als er uns zu unseren Pferden bringt. Die Reitausrüstung stellt sich als authentisch kubanisch heraus: Helme gibt es genauso wenig wie verstellbare Steigbügel. Unser Guide Giovanni hat anfangs nicht einmal ein Pferd und stapft zu Fuß durch den Matsch, bis er mit dem Guide einer entgegenkommenden Gruppe tauscht. Wir reiten durch die idyllische Landschaft des Valle del Silencio - über rote Pfade und durch plätschernde Bachläufe, die sich durch saftige Wiesen zwischen schroffen Karstfelsen (mogotes) entlangschlängeln. Auf den Feldern wachsen Mais, Süßkartoffeln und Maniok, wobei die Maniokpflanzen wie Hanf aussehen, worauf uns Giovanni aufmerksam macht.


Unsere Pferde Rosillo und Caramelo sind trittsicher im Gelände, rangeln allerdings immer mal wieder um die Führerrolle. Da hilft es nicht, dass die meisten Touris ihre Pferde nicht im Griff haben und von den Guides keinerlei Reiteretiquette gelernt haben. Während einer Rast kosten wir Guayabita, den einzigen aus Guaven gewonnen Rum und sehen erstmals einen Guavenbaum. Ein starker Tabakgeruch umgibt uns in der Trockenkammer einer Zigarrenfarm, die voller brauner Blätter hängt. Hier zeigt uns ein ehemaliger Englischlehrer, wie Zigarren gedreht werden, während er und Max Puros paffen. Unser Zigarrenlehrer war schon in Deutschland und wir erfahren, dass Kubaner erst seit einigen Jahren ins Ausland reisen dürfen und hierfür eine spezielle Einladung benötigen.


Obwohl viele der bunten Häuser in Viñales Casa Particulares sind, herrscht eine ursprüngliche Dorfatmosphäre. Wir fühlen uns in die Vergangenheit versetzt: morgens fahren Bauern mit ihren Ochsenkarren aufs Feld und es sind mehr Pferdekutschen als Oldtimer auf den Straßen unterwegs. Unsere Gastgeberin Juany ist die Herzlichkeit in Person. Sie verwöhnt uns mit einem üppigen Frühstück, wobei sie uns jeden Morgen eine neue süße Köstlichkeit auftischt: Marmelade aus Guaven und grünen Papayas, Honig aus der Gegend, Mais-Schoko-Pudding und Buñuelos, gebratene Maniok-Teigkringel, die ein wenig an Churros erinnern.


Völlig deplatziert wirkt der Doppeldecker-Hop-on-hop-off-Bus im ländlichen Valle de Viñales. Dennoch grüßen die Einheimischen überall strahlend den Bus(fahrer) und es ist eine komfortable und günstige Möglichkeit, die Umgebung zu erkunden. Wie etwa die kunterbunte Felsmalerei Mural de la Prehistoria, den Mogote Coco Solo und die Cueva del Indio. Nach einem Spaziergang durch die Dunkelheit fahren wir hier mit einem Boot durch die Höhle, wobei uns ein Guide per Laserpointer mit gelangweilter Leierstimme auf die durchaus interessanten Höhlenformationen wie die drei Schiffe des Kolumbus aufmerksam macht.


Das Hotel Los Jazmines im rosa Kolonialstil bietet einen grandiosen Ausblick in die Weite - über grüne Felder, rote Äcker und Tabak-Trockenhütten bis zu den grauen Karstfelsen am Horizont. Und die Möglichkeit, den erstaunlich tiefen Pool (von 2,80 Meter) zu nutzen. Eine Gruppe Einheimischer feiert hier gerade ein größeres Familienfest mit riesigen Kuchenplatten, Latino-Klängen und purem Rum. Wir sind fast die einzigen Ausländer am Pool. Interessanterweise scheinen sich die Zimmerpreise an zahlungskräftige Ausländer, die Getränkepreise an der Bar dagegen an Kubaner zu richten. Gerade haben wir uns mit Piña Colada und Eis eingedeckt, da beginnt es zu regnen. Nach einigen Sekunden wie aus Kübeln. Zusammen mit der Geburtstagsgesellschaft flüchten wir in die Hotellobby. Als wir eine Stunde später in den Doppeldeckerbus hüpfen, scheint schon wieder unschuldig die Sonne.


Auf schlammigen Wegen wandern wir durch die ländliche Idylle des Valle Dos Hermanas. Pferde und Rinder grasen mit ihrem Nachwuchs auf den Wiesen, Bauern pflügen mit Ochsenkarren die Felder, Schweine suhlen sich im Matsch, Hennen und flauschige Küken picken nach Würmern und ein Zicklein beäugt uns neugierig. Zwischen den teils ausgehöhlten Karstfelsen tauchen vereinzelt Höfe auf. Nach einem anstrengenden Aufstieg über unwegsame Pfade gelangen wir auf die Anhöhe der Los Aguáticos, von wo aus wir einen wunderschönen Ausblick auf das Tal genießen.


In Kuba an Lebensmittel zu kommen erfordert echtes Insider-Wissen, so auch in Viñales. Im Supermarkt ist die Auswahl wieder erschreckend gering. Der Thunfisch in der Vitrine sei erst ab morgen zu verkaufen, informiert uns die Verkäuferin. Erdnüsse sind nach wie vor unauffindbar. Dafür entdecken wir in dem Snackstand vor einem Spielplatz süße Erdnussriegel (dulce de maní), die es mit ganzen und gemahlenen Erdnüssen gibt. Und zwar überall im Land, wie wir später feststellen werden. Interessant ist auch der Obsthandel. Früchte gibt es in Viñales ausschließlich an mobilen Straßenständen zu kaufen, und zwar allesamt aus der Region, allerdings nur in bestimmten Straßen und zu bestimmten Zeiten. Guaven erweisen sich als der perfekte Mitnahme-Snack, schade nur, dass die Mangos in der Gegend noch nicht süß schmecken. Dafür müsse es erst einmal zwei Wochen lang ordentlich regnen, erklärt uns Juany.


8 Uhr morgens. Die rot gekleideten Mitarbeiterinnen der staatlichen Reiseagentur Cubanacan sind überfordert. Nicht wenige Touris warten auf den Bus zur Cayo Levisa. Die meisten haben schon eine Fahrkarte, aber nicht alle (darunter wir). Sie versuchen herauszufinden, ob noch Platz im Bus ist und zählen immer wieder irgendwelche Listen durch. Vergeblich. Hektisch unterhalten sich die Kolleginnen. Sie wissen einfach nicht, wie viele Fahrkarten verkauft wurden. Eine halbe Stunde später steigen die mit Ticket in den Bus. Nochmal eine Viertelstunde später gibt es grünes Licht: es sind noch ein paar Plätze frei. Dieser Bus fährt allmorgendlich in Viñales ab, allerdings wirkt das Prozedere auf uns so chaotisch, als täten die Cubanacaner das zum ersten Mal...


An der Atlantikküste angekommen, steigen wir in einen alten Kahn, der uns langsam und laut tuckernd zur Sandinsel Cayo Levisa bringt. Über Plankenwege gelangen wir durch Mangrovenwälder zum Resort am vier Kilometer langen, weißen Sandstrand, wo wir mit Saft und einer Gitarreneinlage begrüßt werden. Irgendwie wirken die Hotelbediensteten auf der Insel nicht so glücklich und gelöst wie die Kubaner, die wir bisher getroffen haben.


Kurz darauf sind wir wieder an Bord eines Tuckerboots, diesmal in Richtung der vorgelagerten Korallenriffe. Da das Boot überfüllt ist, dürfen wir oben beim Kapitän sitzen und den weiten Blick über die Sandinseln und das türkise Meer genießen. Das Wasser könnte klarer nicht sein und wir sehen beim Schnorcheln jede Menge bunte Fische und viele lila Korallen. Wir machen uns einen Spaß daraus, durch die Blubberblasen der Taucher zu schwimmen.


Für ein paar Stunden tauchen wir ins Resortleben ein: im Hotelrestaurant ist ein tolles Buffet samt Muscheln, gegrilltem Fisch und allerlei Süßspeisen aufgetischt. Nach so viel Schnorcheln und Schlemmen erholen wir uns auf Liegestühlen unter einem Strohschirm am weißen Sandstrand mit perfekt temperiertem Meerwasser. Als wir abends wieder im Bus nach Viñales sitzen, geht um uns herum ein heftiges Gewitter nieder. Fazit: Unseren Ausflug in die Welt der Traumstrand-Resorts haben wir genossen, wobei ein Tag völlig ausreichend war.


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