San José – Eintauchen ins Pura Vida

Costa Rica
“Pura vida” meint unser Taxifahrer strahlend, als er uns vor unserer Unterkunft absetzt. Die Floskel spiegelt das costa-ricanische Lebensgefühl wider und umgibt uns hier überall. Die Ticos genießen das “reine Leben” in vollen Zügen - frische Luft, üppige Natur, leckere Südfrüchte - und sind stets bester Laune. “Pura vida” kann so ziemlich alles bedeuten von “hallo, tschüss, danke, gern geschehen” über “heute ist ein schöner Tag” und “genieße den Augenblick” bis hin zu “das ist ja cool”.


Statt ein Militär zu unterhalten, steckt Costa Rica seine Ressourcen in Gesundheit, Bildung und Umweltschutz. Schon heute kommen 100 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wasserkraft und Erdwärme. Vielerorts in San José wird der Müll vorbildlich getrennt und Hygiene ist Pflicht: wenn es in einem Restaurant keine Möglichkeit zum Händewaschen gibt, stehen Spender mit Desinfektionsmitteln bereit. Auch die Straßen sind auffallend sauber, was vermutlich auch daran liegt, dass es hier keine Straßenhunde gibt. Als im April der erste Regen seit einem halben Jahr fällt - und zwar in Form eines heftigen Tropenschauers -, feiern die Ticos dies begeistert und sind gleich noch besserer Laune. À propos Wasser – das Leitungswasser hat in Costa Rica top Qualität und kann fast überall getrunken werden. Nachdem wir in Guatemala stets auf aufbereitetes Trinkwasser (“agua pura”) angewiesen waren, ist das saubere Leitungswasser der reinste Genuss. Pura vida eben.


Bunt, chaotisch, zusammengewürfelt - das Stadtbild von San José ist interessant. Im Barrio Amón entdecken wir Villen der ehemaligen Kaffeeplantagenbesitzer, die an imposante Burgen erinnern, neben Gebäuden mit allerlei anderen Baustilen und kunterbunt getünchten Wänden. Die betonlastige “Plaza de la Cultura” ist das Zentrum der Stadt. Im angrenzenden Teatro Nacional fühlen wir uns nach Europa versetzt und tatsächlich stammen viele der Goldblättchen, Verzierungen und Marmorböden aus Deutschland, Italien und Frankreich. Ebenso ein Deckengemälde, das ein italienischer Künstler angefertigt hat, ohne je in Costa Rica gewesen zu sein. Weshalb die Ticos auf den Kaffeeplantagen europäisch aussehen, Schuhe tragen und Bananenstauden falsch herum getragen werden.


"Bitte zieht eure Kappen und Hüte aus. Sonst denken die Leute, wir wollen die Bank ausrauben," meint unser Guide Steven ernst. In der Bank ist viel los, da heute Zahltag ist. Zweimal im Monat steht hier Gott und die Welt an, um sich ihren Verdienst-Scheck auszahlen zu lassen. A propos Gott - in der Bank gibt es sogar eine Kirche, wo die Ticos eben nochmal kurz für alle Fälle ein Stoßgebet lossenden können. Mit 26 Stockwerken ist die Banco Nacional das höchste Gebäude der Stadt. Höher darf nicht gebaut werden, damit ein etwaiges Erdbeben keinen zu großen Schaden anrichtet. Quirlig bringt Steven uns näher, wie San José rund um fünf Kirchen errichtet wurde, die aus der Vogelperspektive betrachtet wiederum ein Kreuz bilden. Die Escuela de Mujeres besteht aus Metall und war eigentlich für Punta Arenas in Griechenland vorgesehen, kam aber irgendwie im Frachthafen Punta Arenas in Costa Rica an. Und so errichteten die Ticos sie eben in San José.


In den Markthallen bekommen wir einen ersten Einblick in die kulinarische Vielfalt Costa Ricas - die überwiegend aus Reis mit Bohnen besteht. Zum Frühstück wird beides vermischt, mit Rührei oder Fleisch serviert und als Gallo Pinto ("bunter Hahn") bezeichnet. Zum Mittag- und Abendessen dasselbe, außer das Reis und Bohnen hier nicht vermischt werden, es noch etwas Gemüse dazu gibt und das ganze dann Casado ("verheiratet") heißt. Einfache Restaurants, die keine Steuern zahlen müssen, heißen hier Sodas. In solch einem Soda trinken wir zu den lokalen Klassikern leckere Smoothies aus Guave und Mozote. Insgesamt sind wir überrascht, dass die Menschen hier gefühlt viel weniger Obst und Gemüse essen als in Guatemala, obwohl es so leckere Sorten gibt - Guanábana oder große grüne Plátanos (Kochbananen) zum Beispiel.


Das Hostel "Casa del Parque" ist in einer alten Stadtvilla untergebracht und verbreitet ein Wohlfühl-Flair. Die Doppelzimmer sind riesig, im blühenden Innenhof kommen immer mal wieder Kolibris zu Besuch, es gibt gemütliche Sofaecken und die hier lebenden und arbeitenden Freiwilligen sind entspannt. So lernen wir den Dauer-Bewohner Andrés aus El Salvador und Denise aus Deutschland kennen, die gerade fünf Wochen im Hostel wohnt und das übrige Land auf Wochenendausflügen erkundet. Wir nutzen die Küche, um mal wieder selbst zu kochen und finden im Supermarkt Chayote (wie man die Güisquil aus Guatemala hier nennt) und Zucchini-artige Zapallos. Ansonsten kann sich auch unsere Snack-Kreation aus Maistortillas mit Bohnenpaste, Avocados und Palmitos durchaus schmecken lassen.


Im Soleil – La Casa del Cacao lernen wir bei einem Schokoladen-Workshop die Geschichte und Herstellung unserer Lieblingssüßigkeit kennen und stellen unsere eigene Schoki nach der Rezeptur der alten Maya her. Begeistert sind wir von "Pinolillo", dem nicaraguanischen Nationalgetränk aus Kakao, Mais und Zimt, der hier als angedickter Atól serviert wird. Wie wir feststellen, ist Schokolade in Costa Rica nicht Teil der Kultur (in Guatemala übrigens auch nicht). Kaffee wird dagegen überall und ständig von jedem getrunken, auch schon von Kindern. Schokolade gibt es im Supermarkt entweder mit viel Zucker als Trinkpulver oder von Milka, Ritter Sport und Co. aus Europa zu Mondpreisen. Verkehrte Welt...


"Könnte sich einer von euch bitte vorne hinsetzen?", bittet uns der Uber-Fahrer. Der Grund überrascht uns - Uber sei in Costa Rica nicht legal. Seltsam, dass trotzdem die App funktioniert und stets innerhalb weniger Minuten ein gestylter Uber-Fahrer in einem getuneten Auto auftaucht. Daher kann man also nicht mit Kreditkarte bezahlen... Ein offizieller Taxifahrer erzählt uns, dass er nebenbei Kleidung auf Raten verkaufe. Das laufe gut, da die Ticos alles mögliche auf Raten kaufen würden. Von ihm erfahren wir auch, dass es einmal viele Züge in Costa Rica gegeben habe. Bis ein Präsident diese größtenteils abschaffte, um sein LKW-Geschäft zu fördern. Schade, denn so manche Busfahrt hätten wir uns gerne erspart. Mehr dazu in den nächsten Artikeln.


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