Erkundung des Lago Atitlán - per Kajak, Pferd, Tuctuc und zu Fuß

Guatemala
Berge, Vulkane und Wolken spiegeln sich im See. Fischer grüßen uns aus ihren hölzernen Bötchen. Wir paddeln mit Amélie in zwei Kajaks von San Pedro in Richtung Santiago, wo wir einen kleinen Strand ansteuern. Als wir wieder aufbrechen, fließt Wasser aus dem Inneren des Doppelkajaks in den Fußraum. Das hätte uns stutzig machen können. Wir sind noch nicht lange unterwegs - „Anna. Something‘s wrong.“ Amélie sitzt hinten im Kajak und ist nicht mehr weit von der Wasseroberfläche entfernt. Wir sinken! Und Rettungswesten haben wir natürlich keine bekommen. Wir signalisieren Max unser Problem per Pantomime, dann paddeln wir mit voller Kraft ans Ufer. Wobei wir eine beeindruckende Geschwindigkeit erreichen.


Als wir am Ufer ankommen, ragt das Kajak hinten gerade noch so aus dem Wasser. Puh! Was nun? Wir haben keine Nummer von der Agentur, über die wir die Kajaks gemietet haben. Auf der Straße zwischen San Pedro und Santiago soll es häufig zu Überfällen kommen, wie uns Maritza erzählt hat. Außerdem wird seit ein paar Tagen eine junge Engländerin vermisst. In der Bucht sitzen drei junge Männer, die sich nach unserer Situation erkundigen. Einer von ihnen hat ein Tuctuc und bietet uns an, uns zurück nach San Pedro zu bringen. Die anderen würden für eine weitere Zahlung in der Zwischenzeit auf die Kajaks aufpassen. Es sei schließlich ein Privatstrand. Da wir keine andere Wahl haben, vertrauen wir den Männern und nehmen das Angebot an. Mit den Paddeln quetschen wir uns ins Tuctuc…. und kommen heil in San Pedro an. Ein unfreundlich dreinblickender Kajakbewacher ruft den Eigentümer der Boote an. Dieser ist überrascht, da er die Kajaks noch am Morgen gewartet habe, bleibt aber gelassen und zeigt Verständnis.


Nachdem wir innerhalb kürzester Zeit gleich zweimal einer potentiell gefährlichen Lage entkommen sind, gönnen wir uns im israelischen Restaurant Zoola ein ausgiebiges Dinner samt köstlichem Dessert – Schoko-Soufflé mit Vanilleeis, Keksen und Banane. Für emotionale Wogen sorgt die Nachricht, die Amélie an ihre WhatsApp-Familiengruppe geschrieben hat, als wir uns entschieden, das Tuctuc zu nehmen. „… Wenn ich mich nicht in einer Stunde melde, ruft die Botschaft an...“


Über Stock und Stein reiten wir steile, gewundene Pfade am See entlang. Durch Wälder und Kaffeeplantagen geht es nach San Juan la Laguana, eins der malerischsten Dörfer am Lago de Atitlán. Unsere Pferde Ramba, Princesa und Paloma sind trittsicher und gut ausgebildet. Unser Guide Salvador ist freundlich zu uns und den Pferden, der Begleit-Guide José hängt dagegen schief auf seinem Pferd, das er immer wieder malträtiert und einmal auch Amélies Pferd einen Hieb versetzt, was sie gar nicht gut findet.


Von Salvador erfahren wir, dass der guatemaltekische Kaffee eine besonders hohe Qualität hat, da der Lavaboden sehr nährreich ist und in Guatemala die Kaffeebohnen erst geerntet werden, wenn sie rot und damit wirklich reif sind. Wir probieren ein paar Kaffeebohnen, die unter der roten Schale fruchtig schmecken. In einer Genossenschaft zur Kaffeeverarbeitung lernen wir die Verarbeitungsschritte der Bohnen kennen, von der Ernte bis zum Rösten der grün-gräulichen inneren Kaffeebohnen, die hier „oro“ (Gold) genannt werden. Hier kosten wir Kaffee, der stark und kaum bitter schmeckt, und leckeren Kaffee-Bananenkuchen. Traurig aber wahr: die Schulferien liegen in Guatemala so, dass die Kinder der Bauern von Oktober bis Dezember bei der Ernte mithelfen können. Abschließend besuchen wir die Webergenossenschaft Casa de Tejido, wo eine junge Dame uns näher bringt, wie aus der Baumwolle die Fäden gesponnen, gefärbt und gewoben werden. Witzigerweise meint diese, Anna sehe der spanischen Königin Letitia zum Verwechseln ähnlich. Soso ...


Um 3 Uhr nachts wandern wir in absoluter Dunkelheit durchs nächtliche San Pedro, da seit dem Vorabend der Strom ausgefallen ist. Über uns thront der strahlende Sternenhimmel, um uns herum erwachen die Straßenhunde, von denen sich uns zwei anschließen. Am Hotel Paraíso treffen wir Amélie, Margarita, die auch als Freiwillige für 12Tree tätig ist, und unseren Guide Nicolas. Wie wir am Vorband festgestellt haben, sind Nicolas und der Besitzer der Kajaks ein und dieselbe Person. Was ein Zufall!


Steil geht es den Berg namens Rostro Maya („Indian Nose“) hinauf, teils über Leitern. Vom Lago aus betrachtet, gleicht der Berg einem menschlichen Profil, genauer einem Vorfahren der lokalen Maya. Nicolas erzählt uns, dass viele Fischarten seit der Einführung größerer Fische aus den USA im Lago verdrängt wurden und dass viele der hier lebenden Bauern seit dem Verfall des Kaffeepreises ein härteres Leben führen. Die Kirchen versprechen ein besseres Leben in der Zukunft. Nicolas gehört zu den wenigen, die dies für eine naive Lüge halten. Er wirkt gebildet, aufgeklärt, aber auch etwas depressiv. Obwohl es noch nahezu stockdunkel ist, zeichnen sich die Berge und Vulkane schon am Horizont ab und Fuego spuckt immer wieder Rauchwölkchen in den Himmel.


Von der Aussichtsplattform aus beobachten wir das Spektakel, wie der Himmel sich allmählich verfärbt und der See in der aufgehenden Sonne wie flüssiges Gold daliegt. Am folgenden Tag wird in der Nähe des Aussichtspunkts die Leiche der 23-jährigen Engländerin gefunden, die seit einer Woche vermisst wurde. Schnell kursieren jede Menge Gerüchte, wie es dazu gekommen ist. Die Gemeinden rund um den Lago sind in heller Aufregung und fürchten bereits um einen Rückgang des Tourismus. Wie sich jedoch herausstellt, handelte es sich um einen tragischen Unfall. Dennoch sind Wanderungen um den Lago mit Vorsicht zu genießen, da es häufig zu Überfällen kommt. Viele Guides bieten die Besteigung der Vulkane zurzeit gar nicht an, da sie keine Lust haben, ständig ausgeraubt zu werden. Max‘ Mitbewohner Andrés findet einen Guide und klettert auf den San Pedro, als wir gerade vom Rostro Maya herabsteigen. Er hat Glück, aber die Gruppe am Folgetag wird ausgeraubt und muss ohne Wertsachen und sogar ohne Schuhe den steilen Rückweg antreten...


Hippies mit Dread Locks, die Kunsthandwerk und allerlei spirituellen Krimskrams verkaufen, vegane Cafés und Yoga-Hostels inmitten unbefestigter Pfade, auf denen sich abends die Straßenhunde versammeln – San Marcos La Laguna ist das spirituelle Örtchen am Lago de Atitlán. Im alternativen Ahau-Hostel stoßen wir auf bequeme Hängematten, eine chillige Atmosphäre, Bambusduschen und eine Kompostiertoilette. Amélie bekommt von der Gastgeberin frische Aloe Vera aus dem Hostelgarten für ihre Verletzung am Handgelenk, die sie sich beim Paragliding am Vortag zugezogen hat.


Im Yoga Forest nehmen wir an einer fortgeschrittenen Yogastunde auf einer runden, überdachten Holzplattform teil, von der wir den dichten Wald und den See in der Ferne überblicken können. Wir schnuppern auch in eine Einheit zu Meditationstechniken in den „Pyramids de Ká“ hinein, die Teil eines mehrwöchigen Retreats ist. Dass es sich dabei um eine Orakel-Meditation handeln würde, wussten wir nicht. Über einem unterirdischen Gang betreten wir die große Pyramide aus Holz durch eine Klappe im Boden. Überall sind religiöse Symbole wie Engel, Jesus, Shiva, Davidsterne zu sehen und der Kerzenschein hüllt die Pyramide in ein mystisches Licht. Mit etwa zwanzig vor allem jungen Retreat_Teilnehmern meditieren wir, bis der Orakel-Part beginnt: reihum zieht jeder Teilnehmer in der Mitte der Pyramide je eine Orakel-Karte für die Bereiche Erde (physisch), Wasser (emotional), Luft (mental) und Feuer (spirituell). Dann versucht man, im Kerzenlicht den darauf genannten Erzengel und die sonstigen Botschaften zu entziffern und in Zusammenhang mit der eigenen Fragestellung zu bringen. Für unseren Geschmack dann doch zu abgespaced …


Sanft gleiten wir über den See, der in der Frühe des Morgens ruhig daliegt. Das hölzerne Cayuco ist mit Naturstoffen abgedichtet und für alle Fälle mit Holzspänen gefüllt. Max unterstützt Miguel beim Stehpaddeln, der ein Freund von Annas Gastfamilie ist. Wir passieren hübsche Gringo-Villen inmitten verwucherter Bäume und umrunden die Isla del Gato. Hier wurden früher unartige Katzen ausgesetzt, heute ist das Inselchen ein Rückzugsort für Vögel aller Art.


Während wir den Hügel in den Ausläufern des Vulkans San Pedro erklimmen, zeigt uns Miguel Arabica-Kaffeepflanzen, Drachenfrucht-Kakteen, würzige Chipilin-Blätter, glockenförmige Palmenblüten und einen Esskaktus und erklärt uns, wie die verschiedenen Pflanzen in der einheimischen Küche verwendet werden. Die Ruinen der archäologischen Stätte Chitunamit thronen in strategisch günstiger Lage auf dem Berg mit Blick über den Lago de Atitlán und die Bahía de Santiago. Die alte Mayastadt wurde um 1520 errichtet und damit nur wenige Jahrzehnte bevor die Spanier Santiago gründeten und den Katholizismus einführten.


Unsere kulinarischen Highlights sind neben dem bereits erwähnten Zoola das Sushi-Buffet im Allala mit guatemaltekisch-japanischer Live-Musik und die Tempeh-Gerichte im Samsara in San Marcos. Im Café del Arte lassen wir uns typisch guatemaltekische Gerichte in einem bunten Ambiente in der Nähe des Fähranlegers in Santiago schmecken. Im 5th Dimension in San Pedro gibt es Tandoori-Burritos, Ziegenkäse-Mango-Chutney-Sandwichs und sättigende Smoothies mit Hanf-Protein, Cacao-Nibs und allem, was man sich so vorstellen kann. Am besten schmecken jedoch immer noch die Mahlzeiten unserer Gastmütter und dazu warme Mais-Tortillas.


Und hier noch ein paar weitere Impressionen:

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