San Pedro – Spanischkurs zwischen Einheimischen und Gringos

Guatemala

von Max

In der Sprachschule lerne ich meinen Gastvater Jeremias kennen. Es zeigt uns den steilen Berg hinauf zu meiner Bleibe für die nächsten vier Wochen. Ist der Aufstieg nur so anstrengend wegen unseren Reisetaschen, die ich schleppe? Nein, es ist der steile Berg. So wird Andrés an meinem letzten Tag feststellen, dass er sich selbst nach sechs Wochen in San Pedro nicht an die letzten steilen Meter nach Hause gewöhnt hat und einmal sogar vom Motorrad absteigen musste, damit der Fahrer alleine die steilen Meter schafft… Ich genieße also ein gutes Herz-Kreislauf-Training.


Andrés ist übrigens mein Gastbruder, heißt eigentlich Andrew und kommt aus Südkalifornien. Er ist immer gut gelaunt, was man an seinen freudigen „Tschiau!“ Ausrufen merkt. Meine Gastfamilie und die Sprachlehrer sagen, er wäre loco (verrückt). Rech haben sie. Zu Hause fährt er in seiner Freizeit Motocross-Rennen. Er lernt Spanisch, um sich mit den mexikanischstämmigen Menschen in Kalifornien besser unterhalten zu können. An vielen Orten in Kalifornien werde nämlich ausschließlich Spanisch gesprochen. Am Flughafen in Los Angeles haben wir uns ja auch schon wie in Mexiko gefühlt.


Neben Andrés lernen noch Rob aus Australien und Peter (hier Pedro genannt) aus den USA über längere Zeit Spanisch in San Pedro. Rob hatte mal eine Sugar-Mama und Peter nenne ich insgeheim San Pedro, weil er immer seine Bibel dabei hat, um in der Pause darin zu schmökern.


Das Leben in der Gastfamilie ist eine tolle Erfahrung. Ich werde sehr herzlich mit den Worten „Mi casa es tu casa“ (Mein Haus ist dein Haus) aufgenommen. Unsere Gastmutter Magdalena kocht vorzügliches Essen und zu jeder Mahlzeit gibt es von Großmutter Clara gebackene Mais-Tortillas. Zum Frühstück gibt es eine riesige Schüssel geschnittenes Obst – Bananen, Erd- und Brombeeren, Wassermelone, manchmal Mango – mit Joghurt, danach kann sowie so nichts mehr schief gehen. Dem selbst angebauten, organischen und vorzüglich schmeckenden Kaffee kann ich morgens nicht widerstehen und werde für einen Monat wieder zum Kaffeetrinker. Hier funktioniert Globalisierung übrigens auf eine interessante Weise: Der aufwendig angebaute, Bio-Kaffee wird von der Familie konsumiert, wohingegen der chemisch gedüngte auf Menge ausgelegte Kaffee exportiert wird. Noch besser wäre es, nur Bio-Kaffee zu produzieren. Dann würde der See nicht bei jedem Regen durch Chemie-Dünger verseucht. Da die Umstellung mehrere Jahre dauern würde, ist sie finanziell für die meisten Kaffeebauern nicht tragbar. Beim Essen leisten uns meist die Söhne Juan Manuel und Antony Gesellschaft -prima Gelegenheiten, um noch mehr Spanisch zu sprechen.


Juan Manuel ist 22 und studiert samstags an der Krankenpflegeschule am anderen Ende des Sees in Sololá. Dauerhaft dort zu leben, kann er sich nicht vorstellen. Es sei zu weit von seiner Familie entfernt. Ob er in San Pedro eine Stelle als Krankenpfleger findet wird, ist fraglich, da es hier nur wenige Arztpraxen gibt. Unter der Woche hilft er viel im Haushalt und zur Kaffeeernte auch auf den Feldern der Familie. Von Guatemala kennt er ansonsten bisher nur die Hauptstadt und Quetzaltenango. Mobilität scheint für die meisten Guatemalteken ein Fremdwort zu sein, insbesondere wegen der engen häuslichen Familienbindung. Der zwölfjährigen Antony ist ein aufgewecktes Kerlchen, macht gerne Späße mit Andrés und spricht etwas Französisch und Mandarin, das er nachmittags von freiwilligen Sprachschülern in der Sprachschule lernt.


In meiner letzten Woche steht das Familienleben ganz im Zeichen eines religiösen Fests, das Jeremias organisiert. Der Hausschrein des Heiligen San Nicolas wird neu gestaltet, es werden viele Männertreffen im Wohnzimmer abgehalten und die Frauen üben in schrägen Tönen Kirchenlieder. Als ich beim Aufhängen der Früchte als Opfergaben helfe, werde ich spontan zu einer Zeremonie mit Magdalena eingeladen. Hoch auf dem Berg hält ein Zeremonienmeister eine Privatzeremonie für die Familie im Hinblick auf den Feiertag ab. Diese findet auf Spanisch und Tz'utujil statt und dauert bis die Kerzen abgebrannt und aller Weihrauch verbraucht ist. Beim Fest am nächsten Tag gibt es einen Atole – ein breiiges Getränk aus Mais und Gewürzen –, das die Nacht über in zwölf Stunden zubereitet wurde.


Religion ist den Einheimischen in San Pedro sehr wichtig. Sie nehmen sich viel Zeit für Gottesdienste und besonders die Evangelisten leben nach strengen Regeln. So wirken sich die unterschiedlichen Konfessionen stark auf das Familienleben aus. Der Mann meiner Gastschwester Clarita ist evangelisch und darf daher nicht singen oder tanzen. Ganz anders ist es bei den Katholiken, die gerne feiern. Er nimmt also nur äußert selten an Familienfesten meiner Gastfamilie teil und sieht es nicht gerne, wenn Clarita singt oder tanzt.


Wie in Antigua hat in der San Pedro Spanish School jeder Sprachschüler einen eigenen Lehrer. Meine Maestra heißt Esmeralda, ist 25 Jahre alt und stammt aus San Pedro. Zumeist beginnt der Unterricht mit lockeren Gesprächen und geht dann in Grammatik oder das Studium verschiedener Themen zum Wortschatzaufbau über. Natürlich wird nur Spanisch gesprochen und höchstens mal ein Wort ins Englische übersetzt. Gelegentliche Spiele machen den Unterricht kurzweilig und unterhaltsam. Auch Anna kommt in den Genuss eines Vormittags Sprachunterricht, als sie zu Besuch ist und mit meiner Gastschwester Clarita auf der Dachterrasse höhere Grammatik durchnimmt. Clarita ist nämlich auch Maestra in der Sprachschule.


Am späten Nachmittag findet in der Sprachschule der „Club de Conversación“ statt, indem man mit anderen Schülern des gleichen Niveaus angeleitete Sprachspiele spielt. In meiner letzten Woche komme ich fälschlicherweise mit zwei blutigen Anfängern aus den USA in eine Gruppe. Das allein wäre nicht schlimm, aber der 70-jährige David ist leider schwerhörig und brüllt übereifrig mit Spänglisch um sich... Mein zähster Club der Conversación. Spaß machen dagegen die Salsa-Abende. Weil einer der Sprachlehrer auch “Salsa Man“ ist, lernen Anna und ich gemeinsam mit ein paar Sprachschülern, auf Latinorhythmen zu tanzen.


Nach drei Wochen Sprachunterricht verbringe ich noch ein paar Tagen bei meiner Gastfamilie, weil es so nett ist, und arbeite an unserem Reiseblog und für Midas. Doch dann heißt es „Tschiau!“ und ich trage mein Gepäck den steilen Berg hinab zur Nussschalen-Fähre nach Santiago de Atitlan.


Hier noch der Link zur San Pedro Spanischschule.
Den Kontakt zu meiner Gastfamilie kann ich gerne vermitteln.

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