Lívingston – Garifuna-Kultur an der Karibikküste

Guatemala
Um 04:20 Uhr findet der Fahrer unseres Shuttles Lucrecias Haus und sammelt noch ein paar Touris ein, bevor es Richtung Hauptstadt geht. Nachdem alle anderen am Flughafen ausgestiegen sind, sind wir in Guatemala Stadt die einzigen Westler am Busterminal. Beim Einsteigen werden alle Fahrgäste auf Waffen gefilzt - wir weniger intensiv als die Einheimischen. Gerade haben wir passenderweise gelesen, dass auf 100 Guatemalteken elf Schusswaffen kommen, von denen nur drei registriert sind. Per Minibus geht es zu einem weiteren Busterminal östlich der Hauptstadt, wo wir in den 1. Klasse Pullmann-Bus umsteigen, der tatsächlich recht komfortabel ist mit Anschnallgurten, Kopfstützen, verstellbaren Rückenlehnen und sogar einem Mediasystem. Nur das WLAN funktioniert nicht. Stundenlang fahren wir auf dem Transoceanic Highway entlang der Sierra de las Minas, wobei die Landschaft immer grüner wird. Bananenstauden und Kokosnusspalmen wachsen auf saftigen Wiesen und die Einheimischen verkaufen deren Früchte am Wegesrand.


Mit gut zwei Stunden Verspätung erreichen wir das verschlafene Fischerdörfchen Puerto Barrios, wo uns schwüle Hitze empfängt. Das Garifuna-Enklave Lívingston ist nicht ans Straßennetz angeschlossen und daher nur per Boot zu erreichen. Weiter geht es also mit der Fähre, einer hölzernen Nussschale mit Motor, mit der wir über de Wellen klatschen, vorbei an zahlreichen Chiquita-Containern. Dann zieht idyllische Karibikküste an uns vorbei – Palmen, Strände, Stege, Fischerbötchen, braune Pelikane und weiße Reiher. In Lívingston angekommen, nehmen wir ein Tuktuk zum Ortsrand und laufen die letzten 300 Meter am Strand entlang, vorbei an strohgedeckten Holzhüttchen, Hühnern und entspannten Einheimischen. Nach elfstündiger Anreise erreichen wir unsere Unterkunft.


Unser Gastgeber Patrick stammt aus Frankreich, lebt inzwischen seit 38 Jahren in Lívingston und hat gerade eine Lungenentzündung auskuriert. Die rustikale Holzhütte namens Cabaño al Río Lagarto ist mit Moskitonetzen, luftdichten Lebensmittelverpackungen und lokalen Kunstgegenständen ausgestattet. Während wir in den Hängematten nur wenige Meter vom Meeresrauschen lesen und das Karibikflair genießen, spazieren ein paar Schweine am Strand entlang, was Patricks Hund schier wahnsinnig macht. Abends wird die schwüle Hitze von einer angenehmen kühlen Brise abgelöst.


Landschaftlich ist Lívingston von bemerkenswerter Schönheit mit seinen Kokospalmen, Bananenstauden, kleinen Strandstreifen, exotischen Blumen und einem vorgelagerten Inselchen. Gleichzeitig liegt vielerorts Müll und Unrat auf den Wegen und in den offenen Wasserkanälen. Auch Nutz- und Haustiere dürfen sich so vogelfrei bewegen wie die Pelikane, wodurch uns immer wieder freilaufende Hühner, Schweine und streunende Hunde begegnen. Nachts treibt sich ein Possum auf unserer Veranda herum.


Die hier lebenden Garifuna erinnern uns an Jamaikaner: viele von ihnen haben Rastazöpfe, überall hängt die Rastaflagge, Max bekommt von den Männern immer mal wieder Marihuana angeboten und die Frauen wollen Anna Rastazöpfe flechten. Die Menschen strahlen Entspanntheit aus und lieben es, zu singen und zu tanzen, auch schon die ganz Kleinen. Mit Macheten schlagen die Männer Kokosnüsse, während die Frauen von Hand in Betonbecken Wäsche waschen. Am Wochenende wird bis in die späte Nacht hinein in windschiefen Discos zu karibischer Trommelmusik gefeiert. Am Sonntagmorgen hören wir aus den gut besuchten evangelikalen Kirchen fröhliche Gesänge, wozu die Garifuna-Frauen ihre besten Kleider und farbenfrohe Hüte tragen.


Die Garifuna-Küche wartet mit interessanten Kombinationen auf. Im Restaurante Gaby lassen wir uns frittierte Bananenscheiben und Bohnenpaste schmecken, um dann die lokale Spezialität Tapado zu probieren - einen köstlichen Eintopf aus Kokosmilch, Bananen, Fisch und Meeresfrüchten. Am Folgetag essen wir im Gambon Place eine vegetarische Version des Tapado mit üppiger Gemüseeinlage, die eine Einheimische liebevoll zubereitet. Fürs Frühstück decken wir uns bei Antojitos Yoli‘s mit Kokosbrot und Zimt-Ingwer-Gebäck ein und lassen uns dazu frische Bananen und Mangos schmecken.


Mit einiger Schräglage sausen wir im Nussschalen-Bötchen den Río Dulce entlang. Max bekommt ordentlich Spritzwasser ab – gut, dass wir nicht ganz hinten sitzen. Wir fahren vorbei an den Steilwänden der Schlucht La Cueva de la Vaca, einem Gewirr an Urwaldvegetation und Bromelien. An der Thermalquelle Aguas Calientes halten wir die Füße ins unglaublich heiße Wasser und sehen kleine Schwefelwölkchen über dem Fluss aufsteigen. Auf dem seeähnlichen Gewässer El Golfete wachsen riesige Seerosenteppiche und ein Jacana tapst über die Seerosenblätter. Zwischendurch holen wir Einheimische an der Haustür ab, passieren Villen am Ufer und immer wieder kommen uns Segelboote entgegen.


Vor Río Dulce liegen zahlreiche Segelboote und Yachten, offenbar weil die US-Küstenwache den angrenzenden Lago de Izabal als eines der sichersten Gewässer der westlichen Karibik während der Hurricane Saison erklärt hat. Im Sundog Café gibt es für uns Touristen Burger, Pizza und Pasta sowie Schilder mit der Aufschrift „No Armas – Aquí estás seguro“ (Keine Waffen – Hier bist du sicher). Wie beruhigend...


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