In der efeuberankten Mauer versteckt sich eine kleine rote Tür mit einem Hufeisen. Freundlich empfangen uns Paula und Fred und bieten uns nach englischer Art erst einmal eine Tasse Tee in ihrem Garten an. Das Aussteigerpärchen hat 15 Jahre in Indien verbracht und lebt inzwischen seit 33 Jahren in Guatemala. So kommt es, dass sie zwar keine E-Mailadresse haben, Paula dafür aber orangefarbene Dreadlocks und ein blaues Kreuztattoo zwischen den Augenbrauen. Fred sieht man seine fast 90 Jahre in keinster Weise an. Auf den Ravencroft Stables praktizieren – wenn nicht gar zelebrieren - sie die Englische Reitweise und können kaum glauben, dass wir Westernreiten bevorzugen. Wo doch der klassische Reitstil in Kontinentaleuropa entstanden sei, so viel Geschichte und Kultur damit verbunden seien… Wir lernen schnell noch ein paar Reitvokabeln auf Spanisch und schon geht es auf die Pferde. Unser einheimischer Guide Ariel spricht kein Englisch und meint schon nach ein paar Minuten, wir sollten die Zügel einfach nur in eine Hand nehmen - „es más fácil“ („ist einfacher so“). Womit wir wieder beim Westernreiten wären.

Von San Juan del Obispo aus erkunden wir die Ausläufer des Vulkans Agua. Wir reiten durch Kaffeeplantagen, vorbei an Avocadobäumen und genießen weite Blicke auf die umliegenden Wälder, Örtchen und Vulkane. In San Miguel sehen wir die Kontraste Guatemalas: zuerst reiten wir an einer „Gated Community“ vorbei mit gepflegten Gärten hinter hohen Mauern und Stacheldrahtzäunen, kurz darauf durch ein Armenviertel voller Müll. Unsere hübschen Pferde Merlin und Khalifa haben Arababerblut und daher ordentlich Feuer, sodass wir sie immer wieder zügeln müssen. „Feuer“ heißt auch der Vulkan Fuego auf Spanisch, der immer wieder imposante Rauchwolken in den Himmel spuckt. An einem Baum probieren wir gelbe Nísperos, die eine pflaumenähnliche Konsistenz haben. Fazit: Ein sehr schöner Austritt mit tollen Ausblicken, gut ausgebildeten Pferden und bequemen Sätteln.

Nachdem wir von Antigua aus fast anderthalb Stunden lang für 50 Kilometer Strecke im engen Minibus ohne Kopflehnen durch die Berge geholpert sind, starten wir die Vulkanwanderung zum Pacaya. Auf uns fünf Traveller aus Belgien, Kanada und Deutschland kommen drei Guides und ein Pferd: Greg aus den USA, Carlos aus dem Nachbardorf und für die ersten Kilometer ein weiterer lokaler Guide, der ein Pferd führt und uns immer wieder anbietet, uns doch auf dessen Rücken den steilen Berg hinauftragen zu lassen. Was aber niemand in Anspruch nimmt. Carlos zeigt uns eine Pflanze namens Gallito, die hier als Weihnachtsschmuck verwendet wird. Erst sind die Wolken über uns, dann sind wir mittendrin. Nach einiger Zeit erreichen wir die erkaltete Lava. Sehen können wir den Vulkan nicht, dafür hören wir die herabrauschenden Lavagesteine. Die Lavaströme scheinen heute recht laut und nah zu sein, meint Carlos.

Dann haben wir Glück. Genau als wir am Aussichtspunkt sind, reißt mit einem Mal die Wolkenwand auf und wir genießen tolle Blicke auf den Vulkan. Durch die vorbeiziehenden Wolken ändert sich die Aussicht sekündlich. Andeutungsweise können wir das rote Glimmen der Lava erkennen. Weiter geht es über scharf gezackte Lavagesteine, vorbei an Farnen, die seit dem letzten Ausbruch vor einem halben Jahr schon wieder sprießen. An vielen Stellen ist der Boden heiß. Wir verspeisen unsere Gemüse-Sandwichs, während wir beobachten, wie die untergehende Sonne die Wolken unter uns in rosafarbenes Licht taucht.

Inzwischen glühen die Lavaströme des Pacaya bernsteinfarben. Je dunkler es wird, desto greller leuchten sie und sehen aus wie eine stark befahrene Lavastraße. Jetzt können wir auch mit bloßen Augen die Lavabrocken sehen, die der Vulkan hoch in die Luft speit. Ein spektakulärer Anblick! Wir hätten uns nicht träumen lassen, hier einen Vulkan in voller Action zu sehen und das aus nur ein paar hundert Metern Entfernung.

In heißen Steinlöchern grillen wir Marshmallows. Greg sorgt dafür, dass ein paar hier herumlungernde Vulkanhunde auch auf ihre Kosten kommen. Von einer Anhöhe aus genießen wir den letzten Blick auf den faszinierend leuchtenden Pacaya. Beim Abstieg begrüßt uns der Vollmond, der gerade aufgegangen ist und jede Menge Sterne.

Wieder in Antigua fragen wir Greg, ob wir jetzt um 21 Uhr noch sicher zu Fuß durch die Stadt laufen können. Joa, hätte er letztes Jahr vor seiner Motorradreise durch Mittelamerika auch öfter gemacht. Ok, wobei wir uns in manchen der dunkleren, einsameren Straßen nicht allzu sicher fühlen. Brenda ist am nächsten Tag in der Sprachschule entsetzt, dass wir zu der Zeit noch durch die Stadt gelaufen sind … Also in Zukunft lieber einen Einheimischen fragen als einen Gringo.