Tasmaniens wilder Westen – Gold, Regen- und Feuerwälder

Australien
Über alpine Wiesen wandern wir entlang des Ronny Creek, der vom Tannin der Eukalyptusbäume rot gefärbt ist, vorbei an kleinen Wasserfällen und Wildblumen zum Crater Lake, in dessen klarem Wasser sich die Berge spiegeln. Die ruhige Szenerie wird nur von den vielen Bienen gestört, die uns verfolgen und es offenbar besonders auf Max‘ grünes T- Shirt abgesehen haben. Am Wombat Pool hat sich eine große Gruppen Chinesen niedergelassen und insgesamt treffen wir rund um den Cradle Mountain überraschend viele Asiaten. Als wir um den Dove Lake laufen, sehen wir den halbmondförmigen Cradle Mountain aus immer neuen Perspektiven, der wie eine zackige Fassade wirkt.


Durch dichten Regenwald und vorbei an kargen Gipfeln und Gebirgsseen fahren wir nach Queenstown. Mitten im grünen Regenwald sind die Berge rund um die Bergbaustadt rot, orange und gelb. Am Iron Blow Lookout blicken wir tief in eine ehemalige Kupfermine herab und sehen in der Ferne eine Geisterstadt, die damals den Wettlauf gegen Queenstown als Bergbauzentrum verloren hat. Auch die Hafenstadt Strahan ist zur Zeit des Goldrauschs entstanden. Am nahegelegenen Ocean Beach bestaunen wir unzählige gigantische Wellen, die über mehrere Kilometer hinweg tosend neben- und hintereinander brechen. Zu den Horgarth Falls spazieren wir durch den immer dichter und dunkler werdenden Regenwald voller Farne und Eukalyptusbäume. Am spannendsten ist jedoch die Wildnis zwischen Queenstown und Strahan, die wir mit der West Coast Wilderness Railway entdecken…


Tuut Tuut … Um Punkt 9 startet die dampfende, über 100 Jahre alte Lok in Queenstown ihre Reise durch den kühl temperierten Regenwald. Den holzverkleideten Wagen zieren altmodische Lämpchen und schmiedeeiserne Hutablagen. Der junge Wagenchef Sam erzählt Geschichten aus der Zeit des Goldrauschs, als die Eisenbahnstrecke die einzige Verbindung des Bergbauorts zur Außenwelt war und die Menschen an den Wochenenden gerne Picknickfahrten nach Strahan ans Meer unternahmen. Unterdessen tuckern wir durch den dichten Regenwald, der ab und zu von lehmfarbenen Bächen unterbrochen wird. Beim ersten Halt können wir das Goldwaschen mit Pfannen selbst erleben. Anna findet doch tatsächlich ein Stückchen Gold – winzig, aber immerhin dreidimensional. Steil keucht der Zug den Regenwald hinauf und bedient sich dabei einer Zahnradbahn, die nach deutsch-schweizerischem Vorbild bis dato einzigartig in Australien war. In Rinaduna wird die Lok mit neuem Wasser aufgefüllt, bevor wir am wilden Kings River voller Stromschnellen vorbeituckern. Im Ort mit dem hübschen Namen Dubbil Barril wird die Lok schließlich von Hand gedreht. Wir drehen noch ein Ründchen durch den Regenwald, dann geht es wieder zurück nach Queenstown.


Mitten in der Wildnis stoßen wir zu unserer Überrasschung auf Kulturangebote der besonderen Art. Im aufwendig restaurierten Art-déco-Kino Paragon sitzen wir auf gemütlichen Sofas mit Decken und sehen von der Loge aus den Klassiker The American Queen aus dem Jahr 1951. Er thematisiert Romantik in der Wildnis - wie passend. Irgendwo im Nirgendwo befindet sich eine riesige Wand mit filigranen Holzschnitzereien, die noch im Entstehen ist. „The Wall“ stellt die ist die Geschichte Australiens mit einem Fokus auf die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur dar. Beeindruckend sind nicht nur die Dimensionen, sondern auch die unterschiedlichen Techniken und Stadien der Schnitzarbeiten des Künstlers Greg Duncan.


Das Theaterstück „The Ship that Never Was“ erzählt die wahre Begebenheit aus dem Jahre 1834, als zehn Sträflinge das Schiff kaperten, welches sie gerade auf einer Insel nahe Strahan bauten. Die beiden Hauptdarsteller holen sich bald Unterstützung aus dem Publikum: Max schlüpft in die Rolle des Sträflings James Leslie. Er und ein weiterer bärtiger Mann lernen keulenschwingend „Ay ay ay“ und „No no no“ zu rufen, während das Publik unterwiesen wird, die Verräter unter den Sträflingen auszubuhen, Seemannslieder zu singen und vielerlei mehr. Während auf der Bühne nach und nach ein Segelschiff entsteht, dürfen die Zuschauer Kapitäne, Papageien, Matrosen, Katzen und Quallen spielen. Das Stück ist urkomisch, kurzweilig, stellenweise improvisiert und erzählt doch viel Story. Kein Wunder, dass es mit einer Spieldauer von inzwischen 25 Jahren das in Australien am längsten performte Theaterstück ist.


Auf der Beerenfarm in Westerway führen Wegweiser zu den verschiedenen Beerensorten. Gegenüber der Schule beobachten wir am späten Nachmittag ein Schnabeltier, das in der Nähe seines Baus immer wieder kurz auftaucht. Eigentlich wollten wir im nahe gelegenen Mount Field Nationalpark wandern gehen, der allerdings aufgrund von Waldbränden gesperrt ist – wie auch die Walls of Jerusalem und die Gegend um Cockle Creek an der Südküste. Ganze Zeltstädte zur Notevakuierung sind inzwischen errichtet und Verstärkung aus New South Wales eingeflogen worden, wie wir erfahren. In der vergangenen Nacht haben wir bei Regen, Wind und 6 Grad Kälte im Auto übernachtet, wofür uns morgens der Eukalyptusduft des feuchten Waldes entschädigt hat. Wegen der Sperrungen und der Wetterprognose entscheiden wir, früher als geplant nach Hobart zurückzukehren, wo wir ein Dach über dem Kopf haben und die weitere Reise planen können.


Und hier noch ein paar weitere Impressionen:

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