Um 10:40 Uhr gehen die Mönche die Reihe der Besucher entlang, die jedem von ihnen einen Löffel Reis in ihre Schüssel geben. Nach der Spendenzeremonie bedienen sich zunächst die Mönche am Buffet, das die buddhistische Gemeinde gespendet haben. Es ist für sie letzte Mahlzeit des Tages, da sie gemäß der Theravada-Tradition zwischen dem Sonnenhöchststand und dem nächsten Morgengrauen fasten. Im Speisesaal der Mönche unterhält sich Abt Ajahn Brahm angeregt und locker mit den Besuchern. Es folgt ein buddhistisches Gebet und Gesang in Pali. Dann ist das Buffet für alle eröffnet, das einen vielseitigen Streifzug durch die asiatische Küche darstellt: indische Curries, thailändische Nudelgerichte und vietnamesische Reispapierrollen reihen sich neben allerlei bunten Suppen und Salaten aneinander. Die Krönung ist das Dessertbuffet – Klebreis mit Mango, Kuchen aller Art und üppige Platten mit Südfrüchten.

Das Mittagessen ist der Höhepunkt des Tages im Bodhinyana Kloster südlich von Perth, wo wir nach Monaten des Reisens eine Woche lang zur Ruhe kommen. Das gepflegte Gelände mit bunt blühenden Bäumen und Sträuchern strahlt eine besondere Aura der Ruhe aus. Außer dem Zirpen der Grillen, dem Zwitschern der Vögel und dem gelegentlichen Kreischen der Kookaburras hören wir nur ab und zu ein paar Kängurus durch den Wald hoppeln. Inmitten des Eukalyptuswaldes sind die Hütten der Mönche verstreut, die nach der thailändischen Waldklostertradition „kutis“ genannt werden. Während im Meditation Retreat in Nilambe Fünf Gebote galten, sind es während unseres Aufenthaltes im Bodhinyana Kloster Acht Gebote, die einen aufrichtigen, umsichtigen und einfachen Lebensstil vorschreiben. So sind Schmuck und Schminke tabu und ab dem Mittag ist Fasten bis zum nächsten Morgen angesagt. Dafür gilt kein Schweigegebot, was uns viele interessante Begegnungen und Unterhaltungen eröffnet.

Die Vormittage folgen einem festen Ablauf. Um 06:30 Uhr gibt es Frühstück, das die Männer auf der Terrasse und die Frauen in ihren Zimmern zu sich nehmen. Um 07:15 Uhr fegen wir die Wege auf dem Klostergelände mit Reißigbesen. Die vielen Bäume und der Wind sorgen dafür, dass es jeden Tag Nachschub an Laub gibt. Um 07:30 Uhr finden sich die Männer zur Vergabe der anstehenden Aufgaben zusammen. Männliche Klostergäste helfen entweder beim Fegen, Gärtnern oder Bäumefällen. Max hilft mit dem El Salvadorianer Teo drei Mönchen dabei, Wege für Feuerwehr und Rettungskräfte auf dem großen bewaldeten Gelände des Klosters in Stand zu halten. Es gilt, einen Anhänger mit Ästen und Baumstämmen zu be- und entladen. Die Fahrten mit dem kleinen Geländewagen samt Anhänger sind teilweise sehr abenteuerlich und einmal stellt sich das Gefährt samt Insassen im Hang quer. Überraschend viel Schweiß und Action für einen Klosteraufenthalt also. Die Mönche verlieren dabei übrigens nicht ihre Ruhe und Gelassenheit. Die Frauen übernehmen in der Zeit verschiedene Haushaltstätigkeiten, putzen also die Gästebäder, halten die Terrasse sauber, waschen die Geschirrhandtücher und gießen Pflanzen. Da Anna ein paar Tage lang die einzige Frau im Kloster ist, hat sie in der Zeit ordentlich zu tun. Besonders entlohnend ist es, die kleine Tiertränke vor den Unterkünften der Frauen aufzufüllen, an über den Tag verstreut immer wieder süße Kängurus und Papgeien vorbeischauen.

Im Anschluss an die Arbeit finden wir uns in der Küche ein, um bei der Vorbereitung des Mittagessens zu helfen und uns nebenbei mit den anderen Klostergästen auszutauschen. Täglich werden zahlreiche Speisen von buddhistischen Besuchern gespendet, die wir komplettieren, indem wir aus den Lebensmittelspenden Gemüsepfannen, Eierspeisen, Sandwiches, Salate, Beilagen und Obstplatten zaubern. Teils kochen wir ganze Gerichte selbst, teils arbeiten wir als Küchenhelfer zu und lernen dabei u. a. neue Schneidetechniken für Mangos, Ananas und Avocados kennen. An unserem letzten Tag ist die Vietnamesin Anh unsere Küchenchefin, die vor Energie und Effizienz nur so sprüht. Sie hält bis zu fünf von uns gleichzeitig beschäftigt und schafft es so, innerhalb von nur einer Stunde eine erstaunliche Palette vietnamesischer Gerichte zuzubereiten, die allesamt köstlich schmecken. Von ihr lernen wir, dass man Knoblauchzehen nicht nur IM sondern auch MIT dem Mörser zerkleinern kann.

Nach der Spenden- und Gebetszeremonie dürfen wir uns am Buffet bedienen. Es fällt uns gar nicht so leicht, um 11 Uhr einzuschätzen, wie viel Nahrung wir brauchen, um genügend Energie bis zum nächsten Morgen zu haben. Außerdem verleitet das umfangreiche Buffet mit allerlei asiatischen Köstlichkeiten dazu, vieles zu probieren und ordentlich zuzulangen. Nach dem Mittagessen helfen wir beim Spülen, Aufräumen und Saubermachen in der Küche. Zum Abschluss lassen wir uns gegen Mittag Kaffee bzw. Tee schmecken, die der Anagarika Amandus fürsorglich für alle bereitet. Der nächste und zugleich letzte Programmpunkt des Tages ist ein optionaler Tee um 18 Uhr, zu dem wir uns ein Stück dunkle Schokolade gönnen dürfen (die so genannte „evening allowance“).

Die übrige Zeit des Tages hat jeder im Kloster zur freien Verfügung. Wir nutzen sie, um spazieren zu gehen, über den Buddhismus zu lesen und natürlich für Meditation. Ganz in der Nähe des Bodhinyana Klosters gibt es ein Meditationszentrum namens Jhana Grove, wo regelmäßig Meditation Retreats stattfinden. Gerade ist zwar niemand hier, aber wir dürfen dennoch das Gelände und die Räumlichkeiten erkunden, wo es lange Teppiche für Walking Meditation gibt. In der Klosterbibliothek gibt es sogar eine Reihe von Büchern in deutscher Sprache, so auch „Die Kuh, die weinte“ von Ajahn Brahm. Durch diese tolle Sammlung von Kurzgeschichten mit buddhistischen Weisheiten wurde Anna letztlich auf das Bodhinyana Kloster aufmerksam.

Im Bodhinyana Kloster leben 24 Mönche und vier Anagarikas, die als Anwärter des Novizenstatus in der Regel ein Jahr im Kloster dienen, sprich sich um die Mahlzeiten und Fahrdienste für die Mönche kümmern. Die Seniorität der Mönche ergibt sich anhand ihrer Mönchsjahre, die in Rain Retreats („vassa“) gemessen werden. Während der Regenzeit in Thailand ziehen sich alle Mönche und Nonnen für drei Monate zur Meditation zurück und stellen alle Reisen ein. Diese Tradition wird in den Klöstern der thailändischen Waldtradition weltweit gepflegt. Einige der Mönche sind sehr offen und wir finden es spannend, Einblicke in ihr Leben zu bekommen. Der Novize Jayko aus Malaysia ist in unserem Alter und hat in seinem bürgerlichen Leben Prozessoren bei Intel entwickelt, bevor er sich für das Leben als Mönch entschied. Er führt uns zur Höhle, die zwei Mönche aus Deutschland als Geschenk für Ajahn Brahm gebaut haben und die heute das Zuhause des Abts ist. Dort dürfen wir die absolute Stille und Dunkelheit erleben, die in dem schallisolierten Raum herrscht.

Am meisten tauschen wir uns mit den Anagarikas und den anderen Klostergästen aus, mit denen wir täglich gemeinsam in der Küche werkeln. Paul ist von Haus aus Ingenieur, vor seinem Eintritt ins Kloster anderthalb Jahre durch Asien gereist und war auch schon im Meditation Center in Nilambe, was er augenzwinkernd als „very rustic“ bezeichnet. Amandus stammt aus Lindau, ist auf eigene Entscheidung hin seit 34 Jahren Anagarika und damit der weltweit langjährigste Anwärter überhaupt. Er berichtet uns fesselnd von seiner wilden Seefahrerzeit, die ihn in den 60er Jahren kreuz und quer über die Ozeane geführt hat. Im Pazifik wäre das damals schon alte Frachtschiff in einem Zyklon fast gekentert, hätten sie nicht zufällig gerade Holz geladen gehabt. Auch die anderen Klostergäste sind eine bunte Mischung aus aller Welt: Teo aus El Salvador, Hong aus China, Bryan von der Ostküste Australiens, Won aus Thailand und Lakshmi und Anusha aus Sri Lanka. Dass die buddhistische Nonne Won kein Englisch spricht, ist nicht wirklich eine Hürde. Anna erklärt ihr per Zeichensprache, wie die Waschmaschine funktioniert und um gemeinsam zu beobachten, wie die süßen Kängurus zur Tränke kommen, braucht man keine gemeinsame Sprache. Auch Anusha war schon in Nilambe und hat im vergangenen Jahr das gesamte Rain Retreat im Bodhinyana Kloster verbracht. Wir erfahren zu unserer Überraschung, dass es auch in Europa große buddhistische Klöster gibt und dass einige deutsche buddhisitische Mönche und Nonnen durch ihre Schriften international bekannt sind.

Während sich die einen Routinen täglich wiederholen, gibt es auch Wochenroutinen im Bodhinyana Kloster. Dienstags trifft sich die große Thai Community aus Perth hier, weshalb es am „Thai Tuesday“ immer jede Menge thailändische Gerichte gibt. Am Mittwochabend hält der Senior Mönch Ajahn Brahmali nach einer Gesangsrunde in der Meditationshalle einen Vortrag, in dem er einen Auszug aus den buddhistischen Sutra-Schriften interpretiert, die Übersetzung kommentiert und die dahinterliegende Botschaft veranschaulicht. Am Freitag gibt es neben dem alltäglichen Obst und Müsli ein komplettes English Breakfast - Spiegeleier, Bacon, Baked Beans, gebackenen Tomaten und Champignons, Muffins -, das eine Familie aus Sri Lanka dem Kloster allwöchentlich spendet. Passenderweise ist es unser Abreisetag. Nach dem Mittagessen sitzen wir noch eine ganze Weile beim Kaffee mit Anusha und den Anagarika Amandus und Simon zusammen, bevor wir Abschied nehmen und wieder in die weite Welt ziehen.

Unser Fazit: Wir fanden den Aufenthalt im Bodhinyana Kloster sehr bereichernd und haben hier viel Ruhe und Achtsamkeit erlebt und inspirierende Menschen kennen gelernt. Es ist es uns wider Erwarten gar nicht schwer gefallen, ab dem Mittagessen nichts mehr zu essen - und damit 20 Stunden täglich zu fasten. Letztlich hat uns das Meditation Retreat in Nilambe unseren Aufenthalt hier ermöglicht, denn die vorherige Teinahme an einem Meditation Retreat ist Voraussetzung, um hier Gast zu sein.