New Norcia – Klosterstadt mit Weltraumsatellit

Australien
Überlebensgroße Kalksteinsäulen ragen aus dem gelben Wüstensand in den Himmel, während sich in der Ferne weiße Dünen vor dem blauen Meer abzeichnen. Die Pinnacles des Nambung Nationalparks sind aus gepressten Muschelteilen entstanden und erinnern uns an Gestalten wie ein Kamel, einen Ritter mit seiner Familie und eine Hexe mit Zauberhut. Es ist spürbar, dass wir uns nach Monaten wieder einer Metropolregion nähern: zahlreiche Tagesausflügler aus Perth, darunter viele Asiaten, und unser Paji ist das einzige Backpacker-Fahrzeug auf dem Parkplatz.


In Lancelin bereiten wir unser Mittagessen in der Nähe des Strands auf einem öffentlichen Gasgrill zu, woraufhin uns ein asiatischer Tourist fragt, wo man denn das Geld einwerfe. Grillen kann man in Australien tatsächlich vielerorts kostenlos, wohingegen wir im Badgingarra Roadhouse für etwas heißes Wasser tief in die Tasche greifen müssen: stolze 9 Dollar (ca. 6 Euro) kostet hier ein kleines Kännchen einfacher Pfefferminztee - bezeichnend für Australiens Mondpreise.


Nach Andalusien versetzt fühlen wir uns, als wir durch die einzige Klosterstadt Australiens spazieren, die von Olivenhainen und Schafweiden umgeben ist. New Norcia wurde 1847 von spanischen Benediktinermönchen gegründet, welche die Aborigines missionieren wollten und dafür deren lokale Sprachen erlernten. Unsere faktensichere Guide Melissa stammt aus Manila und ist eigentlich Ärztin, scheint aber als Staatsbürgerin eines von Spaniern kolonialisierten, katholischen Landes mit Lateinkenntnissen perfekt in die Klosterstadt zu passen. Dass das Leben der Mönche kein Zuckerschlecken war, zeigt eine Wandtafel mit deren damaligen Berufen: Pferdezähmer, Schreiner und Farmarbeitern. Einst lebten hier 60 Benediktinermönche, heute nur noch zehn, von denen der klosterälteste Mönch seit 62 Jahren in New Norcia lebt. Die beiden ehemaligen Klosterschulen können heute bis zu 250 Schüler beherbergen. Gerade sorgt eine große Gruppe von Schülerinnen in Sportkleidung für eine belebte Atmosphäre und beschert Melissas Mann viel Arbeit in der Küche, der hier als Koch tätig ist. Leider wirken die schönen, alten Gebäude bei näherem Hinsehen ziemlich heruntergekommen.


Nur acht Kilometer entfernt befindet sich eine gigantische, 600 Tonnen schwere Weltraumantenne der ESA, die dafür genutzt wird, Signale ins All zu senden und nach Signalen von Rosetta, Aliens und Co. zu lauschen. New Norcia Station wurde 2003 als weltweit erste “deep space ground station” der ESA eröffnet. Die Distanzen zwischen ihren Schwesterantennen in Spanien und Argentinien sind exakt gleich. Außerdem sind ein trockenes, windstilles Klima und eine dünne Bevölkerungsdichte entscheidend für den Standort. Ob Standortentscheidungen bei der ESA grundsätzlich den Spaniern obliegen oder ein spanischer Ortsname eine weitere Voraussetzung für eine Bodenstation ist? Ironisch erscheint uns jedenfalls, dass sowohl die Mönche in der Klosterstadt als auch die ESA-Antenne nebenan Verbindung mit dem Himmel aufzunehmen versuchen und sich die Website der ESA (www.esa.int) wie e-saint liest. Verschwörungstheorien willkommen!


Und hier noch ein paar weitere Impressionen:

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