Cape Leveque – Angeln auf Aborigine-Art

Australien
Von Broome aus geht es gut 200 Kilometer Richtung Norden nach Cape Leveque. Auf der Halbinsel lebt überwiegend indigene Bevölkerung und so begegnen uns unterwegs viele Aborigines, die in ihren Geländewagen über die Schotterpiste sausen. Auf dem einzigen, winzigen Rastplatz treffen wir eine Aborigine-Familie, deren alter Subaru Forester Probleme mit dem Kühler hat und eine Pause braucht. Während wir den Kühler mit Wasser aus unseren Kanistern versorgen, entwickelt sich ein nettes Gespräch. Mutter und Tochter berichten lebhaft, dass am Kap gerade ein Film gedreht wird und geben uns Tipps, welche Flecken besonders sehenswert sind.


Das Gumbanan Bush Camp eröffnet uns eine grandiose Aussicht auf das Meer und die gegenüberliegende Bucht. Nachts ist es allerdings so stürmisch, dass wir um unser Dachzelt fürchten und das laute Flattern der aufgeklappten Zeltteile uns lange wach hält...


Während wir mit Blick aufs Meer frühstücken, beobachten wir die Kinder der Aborigine-Eigentümer und der weißen Verwalter des Campingplatzes, die ausgelassen miteinander spielen und auf unserem Solarpanel kleine Fußabdrücke hinterlassen. Die Eigentümerin erzählt uns, dass sie sich hauptsächlich von selbst geangelten Fischen und Meeresfrüchten ernähren. Sie kann kaum glauben, dass wir so gut wie keine Erfahrung im Angeln haben. Zurzeit wohnt die Filmcrew in ihrem Haus, und sie kümmert sich auch um deren Mahlzeiten. In dem Zuge habe sie erstmals tiefgefrorenen Fisch verwendet, den jemand gekauft hat. Der Film „Dirt Music“ mit Hugh Jackman soll 2019 in die Kinos kommen. Wir sind gespannt.


Nachdem wir den Reifendruck auf 18 psi (umgerechnet 1,2 bar) abgesenkt haben, geht es mit Schwung die steile Sanddüne in der Djarindjin Community hinauf. Die Brasilianer, die das Manöver vor uns absolvieren dürfen, rutschen ein gutes Stück zurück, aber wir kommen trotz ordentlichem Schaukeln in einem Zug oben an. Puh! Über weiße Dünen folgen wir ihnen zu einem blendend weißen Strand vor türkisfarbenem Meer.


Bundy, der Guide unserer Kulturtour, stellt sich, seinen Sohn und die umliegenden Ländereien vor. Jeder Hügel hat bei den Aborigines der Gegend einen eigenen Namen. Wir finden es anfangs schwierig, ihn zu verstehen, da er sehr leise spricht und nur noch wenige Zähne hat. Doch es lohnt sich, seinen Ausführungen und Geschichten zu lauschen. „How to survive“ lautet die erste Lektion und wir lernen, wie man am Strand kleine Muscheln aufspürt und Trinkwasser findet. Zu kleinen Süßwasserbecken führen uns Vogelspuren im Sand und wir erfahren, dass Vögel wie der Strandläufer Süßwasser meilenweit riechen können.


Mit Speeren ausgerüstet ziehen wir durch die Mangroven auf der Jagd nach unserem Mittagessen - Mangrovenkrabben („mud crabs“) und Muscheln. Gemeinsam mit der brasilianischen Familie sammeln wir emsig die großen, aufrechten Muscheln nahe der Mangrovenwurzeln ein, wie Bundy es uns gezeigt hat. Bald haben wir einen ordentlichen Haufen zusammen, aber das Wasser steigt immer höher. Wo ist Bundy? Er und sein Sohn sind vor einer Weile verschwunden. Wir bringen die Muscheln vor der schnell ansteigenden Flut in Sicherheit. Und nebenbei uns selbst, da es hier Krokodile gibt und die ganz gerne mal in Mangrovenwäldern lauern... Unterwegs fängt unser Jagdgenosse mit seinem Speer geschickt eine Krabbe, wie er es in seiner Jugend in Brasilien gelernt hat. Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchen Bundy und sein Sohn wieder auf. Sie waren ebenfalls erfolgreich – Bundy hat eine große, grüne Krabbe gefangen, wobei eine ihrer Scheren abhanden gekommen ist.


Als nächstes machen wir ein Lagerfeuer und grillen unser Mittagessen in der Glut, das köstlich frisch und nach Meer schmeckt. Währenddessen erholen wir uns im Schatten von der Jagd in der sengenden Sonnenhitze und lauschen Bundys Geschichten. Bundys kulturelle Identität ist eng mit dem Land verwoben. Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt seiner Geschichten ist seine große Familie. Seine Geschwister wurden ohne medizinische Versorgung auf einem Hügel geboren und er ist nur deshalb in einem Krankenhaus zur Welt gekommen, weil es Komplikationen gab. Jeder im Stamm hat Totemtiere, die die Ältesten in einem erkennen. Da einer seiner Söhne einen Hai und zwei Stachelrochen als Totemtiere hat, kann Bundy keine Stachelrochen jagen, so gerne er das tun würde. Seine spirituellen Geschichten sind für uns nur schwer nachzuempfinden. Wie Bundy erklärt, kann man die Bedeutung bestimmter Orte nur dann verstehen und spirituelle Energien nur dann spüren, wenn man eine spirituelle Verbindung mit dem Land hat. Er selbst habe im King‘s Park in Perth auf einer Brücke die Präsenz der Rainbow Snake gespürt, woraufhin er nicht weitergehen konnte. Viele Menschen in der 600-Seelen Community seien zwischen den zwei Welten der kulturellen Tradition und der modernen Gesellschaft gefangen und wüssten nicht, welche die richtige ist. Aufschlussreich ist auch seine Frage „What do you do? In your spare time?“ Ihn interessierten Hobbys offenbar mehr als Geldeinnahmequellen, wohingegen wir uns in unserer westlichen Gesellschaft ja stärker mit unserer beruflichen Rolle identifizieren. Bundy ist ein leidenschaftlicher Musiker uns spielt uns auf der Gitarre seine Lieder vor. Stolz zeigt er uns ein YouTube-Video, in dem Kinder und Jugendliche seiner Community über ihr Land singen und an dem er mitgewirkt hat.

Das Video findet ihr hier.

Zum Abschluss zeigt Bundy uns an einem anderen Küstenabschnitt Fußspuren, die 7000 Jahre alt sein sollen. Insgesamt war die Tour ganz anders als wir erwartet hatten: es gab kaum Organisation und Struktur und es ging nicht nicht darum zu erlernen, wie man Speere anfertigt und Krabben fischt. Statt dessen haben wir einen authentischen Einblick in die Kultur der Aborigines bekommen und dabei interessante Erkenntnisse gewonnen: man trifft sich, improvisiert, isst Bush Tucker, sitzt im Schatten der Bäume zusammen, erzählt Geschichten und lebt im Moment.


Und hier noch ein paar weitere Impressionen:

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