90 Kilometer hinter Fitzroy Crossing verlassen wir den Highway. Von hier aus sind es weitere 120 Schotterpiste. Immer wieder glotzen uns Rinder überrascht an, um dann kurz vor unserem Paji über die Straße zu galoppieren. Ab und zu passieren wir Schrottlauben, die neben der Schotterpiste im Busch vor sich hinrosten. Wie wir später erfahren, sind die Fahrzeuge nicht immer kaputt, sondern werden oft abgestellt, weil der Sprit leer ist. Woraufhin das Auto nach und nach ausgeschlachtet wird, bis nur noch die Karosserie übrig ist.

In Noonkanbah treffen wir Teresa und Gil. Teresa ist mit Annas australischem Kollegen Nick befreundet, lebt und arbeitet in einer entlegenen Aborigine-Community und hat uns freundlicherweise eingeladen. Wir folgen dem Geländewagen der beiden durch den Fitzroy River, der in der Regenzeit auf 12 Meter Tiefe anschwillt, und über sandige Pisten nach Koorabye. Gil schärft uns ein, im Dunkeln niemals ohne Taschenlampe rauszugehen. Wegen der Schlangen.

Teresa und Gil leben seit fünf Jahren in der Community, die in der lokalen Aborigine-Sprache „Ngalapita“ heißt. Sie als Schulleiterin und er als Busch-Doktor, der die umliegenden Gemeinden abfährt, Patienten behandelt und Krankenschwestern schult. Beim Abendessen lernen wir außerdem Ebony und Warren kennen, die hier als Lehrer tätig sind. Wir lauschen gespannt den abenteuerlichen Anekdoten aus dem Leben im Busch. In der Community leben etwa 40 Aborigines, davon 12 Schulkinder. Jeden Morgen wird in der Schule gemeinsam gefrühstückt und die Zähne geputzt, nach den Ferien stehen Wurmkuren auf dem Programm. Der allgemeine Gesundheitszustand und die medizinische Versorgung seien in der Kimberley-Region so schlecht wie nirgends sonst in Australien, wie uns Gil berichtet. Während der Regenzeit ist die Community von der Außenwelt abgeschnitten, weshalb die Bewohner von November bis Februar bei Bedarf aus der Luft versorgt werden. Buschflugzeuge sind dann die einzige Möglichkeit, in die nächsten Städte Fitzroy Crossing, Derby und Broome zu gelangen. Die Buschpiloten sind nicht selten jung und unerfahren. So kommt es vor, dass auf der Landebahn durchgestartet werden muss, weil deren Länge falsch eingeschätzt wurde, oder auf dem Highway notgelandet wird, weil zu wenig Kerosin getankt wurde. Auch die medizinische Hilfe kommt aus der Luft: Die Royal Flying Doctors werden bei Notfällen in die entlegenen Gebiete geflogen oder erteilen Ratschläge über Funk. In abgelegenen Gebieten funktioniert sogar Schule über Funk: in Derby gibt es eine „School of the Air“.

Am nächsten Morgen spazieren wir mit Ebony durch die Community und lernen einige der Bewohner kennen. Während die Älteren die lokale Aborigine-Sprache sprechen, unterhalten sich die Jüngeren in Kreolisch. Einerseits haben die Menschen hier Smartphones und Haustiere, andererseits pflegen sie weiterhin einige ihrer uralten Traditionen. So jagen sie Goannas (riesige Echsen), sammeln Buschmelonen und kümmern sich um das Land. Ein großes Aschefeld inmitten der Community zeugt vom Feuer des Vortags. Die Bewohner haben einen Landstrich angezündet, um die Schlagen zu vertreiben, die hier ein echten Problem darstellen und von denen die meisten giftig sind. Am selben Morgen wurde traurigerweise der Hund des Jungen Tys von einer Schlange getötet.

Die meisten der Bewohner sind arbeitslos und leben von Sozialhilfe. Sie wünschen sich für ihre Kinder eine bessere Zukunft und senden sie nach der Grundschule auf Internate im Süden des Landes. „Die Menschen haben eine ganz besondere Verbindung zu dem Land, die wir kaum nachempfinden können. Wenn die Kinder ins Internat gehen, bekommen sie wahnsinniges Heimweh. Sie kommen nicht darüber hinweg. Das Land ist ein Teil von ihnen,“ erfahren wir von Teresa. „Viele Weiße, auch Politiker, sagen, sie würden die s verstehen - und denken das auch. Aber tatsächlich erfassen sie die Komplexität ihrer Kultur nicht.“

Thank you so much Teresa, Gil and Nick for making this insightful visit possible!