Auf ins Offroad-Abenteuer! Vor uns liegt die legendäre Gibb River Road - 660 Kilometer, größtenteils unbefestigt, in der Regenzeit unpassierbar weil überflutet. Sie verläuft durch die Kimberley-Region, Australiens „Ende der Welt“ mit rauem Klima, dünner Besiedlung und lebensfeindlichen Wüsten, die laut unserem Reiseführer größer als 75 Prozent aller Länder der Erde ist.

Auf dem Weg zur El Questro Station zeigt sich die Gibb von ihrer schönsten Seite: steilkantige Berge und schroffe Felsen ziehen an uns vorbei, die orange-rötlich von der Nachmittagssonne angestrahlt werden. Bei unserer ersten Furtdurchquerung läuft praktischerweise ein Büffel vor uns, sodass wir die Wassertiefe gut abschätzen können. Abends gibt es Live Musik auf der Station, die ursprünglich eine reine Rinderfarm war und jetzt hauptsächlich als Camping Resort fungiert.


Eine tiefe Flussdurchfahrt liegt zwischen uns und der El Questro Gorge. Sie flößt uns Respekt ein, da unser Geländewagen keinen Schnorchel hat. Wir beobachten ein paar Fahrzeuge, die teils auch ohne Schnorchel die Furt durchqueren und eher durchs Wasser zu schwimmen als zu fahren scheinen. Das tun wir dem Paji nicht an! Unser Plan A sieht vor, zu Fuß zur Schlucht zu laufen. Einen Fußweg scheint es zu geben. KNATSCH PFF – der Morast wird immer tiefer. Unsere Schuhe sind patschnass. Und voller Schlamm. Vielleicht lauern im hohen Gras auch noch Schlangen?! Also doch Plan B: wir fahren durch die Furt. Max möchte zusehen, welchen Weg sich das gerade angefahren kommende Fahrzeug durch die Furt bahnt und setzt schnell zurück. WUMMS - fahren wir rücklings gegen einen Baum. Nach kurzem Schock ergibt die Bestandsaufnahme, dass Anhängerkupplung und Ersatzreifen den Stoß abgefangen haben. Puh! Die Hecktür schließt jetzt sogar besser als vorher, allerdings nicht mehr mit Zentralverriegelung. Naja, dann mal auf durch die Furt. Wir schaukeln über hubbelige Steine, das Wasser wird immer tiefer, wir treiben eine Bugwelle vor uns her... GLUCK GLUCK GLUCK – Wasser läuft in den Motorraum. Der Motor würgt nicht ab. Zum Glück. Geschafft!

Die El Questro Gorge gleicht einer Oase inmitten der trockenen, staubigen Kimberley-Region: das Grün riesiger Palmen mit sonnendurchfluteten Wedeln liefert einen tollen Kontrast zum Rot der schroffen, steil abfallenden Sandsteinhänge der Schlucht und zum Blau des Himmels, das sich im klaren Wasser spiegelt. Wir klettern über Felsen uns hüpfen von Stein zu Stein, bis wir eine idyllische Badestelle erreichen, die eine erstaunlich kalte Abkühlung bietet. Gerade als wir den Rückweg antreten wollen … KLATSCH – landet Max mitsamt Rucksack im Bach. Glücklicherweise hat der Rucksack beim kleinen Tauchgang dicht gehalten: Kamera und Handy sind heil geblieben. Nur Max ist patschnass. Als wir die Furt auf dem Rückweg durchqueren, läuft Wasser über die Motorhaube… BLUBB BLUBB BLUBB … und an der Beifahrerseite ins Fahrzeug. Ups! Jetzt ist auch der Paji patschnass. Zum Glück ist es so heiß und trocken, dass er schnell wieder trocknet.

Eine Schlange windet sich um einen Felsen und verharrt in der Bewegung. „Anscheinend sind sie giftig, aber zu klein, um einen zu beißen“, erklärt uns ein Wanderkamerad gelassen. Wir sind unterwegs durch die Emma Gorge, die sich mit einem türkisblauen Pool und einem traumhaften Wasserfall vor schwarzen Felswänden präsentiert, von denen stetig kühle Tröpfchen herabregnen. Es herrscht eine Geräuschkulisse wie im Freibad, da gerade eine Kindergeburtstagsgesellschaft zugegen ist. „There‘s a crocodile!“ ruft ein Junge begeistert. Und schon schwimmt die ganze Horde auf den Felsüberhang zu, wo das Süßwasserkrokodil aus dem Wasser lugt - und sich hoffentlich nicht allzu bedrängt fühlt. Krokodile, Schlangen, Haie und Co. zu erspähen, ist in Australien offenbar eine Art Volkssport, zumal es für die Einheimischen ganz normal ist, den Kontinent mit allerlei potentiell tödlichen Tieren zu teilen. Auf dem Rückweg durch die Schlucht ernten wir mehrfach Komplimente für unsere Regen- bzw. Sonnenschirme, mit denen wir uns die heiße Mittagssonne vom Leib halten („what a brilliant idea“). Und belustigte Blicke von einer Gruppe Asiaten, die ohne Schirme unterwegs sind. Verkehrte Welt ...

Nachdem wir dem Rezeptionisten nur sehr vage Aussagen über den Zustand der Geländestrecken zu den Sunset Lookouts entlocken konnten, entscheiden wir uns auf gut Glück für Branco‘s Lookout. Als wir losfahren, befinden wir uns plötzlich mitten in einer Kolonne von Geländewagen. Es gibt also kein Zurück mehr. Der Fluss, den es zu durchqueren gilt, ist zwar weitgehend ausgetrocknet, allerdings geht es über große und teilweise spitze Steine. Hier kann man nur im Schneckentempo fahren und es ist ein ziemliches Gerüttel und Gewackel. Erleichtert erreichen wir die andere Seite des Flusses. Plötzlich bleibt unser Vordermann stehen und kommt zu uns gelaufen. TSSSS – Wir haben ein Loch im Reifen. Offensichtlich hat der Rest der Kolonne Funkgeräte dabei und unser Hintermann hat den flacher werdenden Reifen bemerkt. Da die Luft eher langsam entweicht, kehren wir auf der Stelle um. Den Reifen wollen wir lieber auf dem Campingplatz reparieren als hier im Nirgendwo kurz vor Sonnenuntergang.

Wir haben noch nie einen Reifen geflickt und die Anleitung unseres Repair-Kits ist knapp gehalten. So versuchen wir zuerst, den Reifen direkt am Paji zu flicken. Erfolglos. Dann wird es dunkel. Am nächsten Morgen versuchen wir den Reifen zu wechseln. Erfolglos. Unser Wagenheber hat keine gute Kraftübertragung.

Glücklicherweise bekommen wir Hilfe von den beiden Mechanikern der Station, die gut gelaunt und mit professionellem Werkzeug auf einem Goldcart angefahren kommen. „Easy“ meint Cole und in fünf Minuten ist der Reifen gewechselt. Als Dankeschön laden wir die beiden nach Feierabend auf ein paar Bier ein, die sie uns zum Mitarbeiterpreis in einer riesigen mit Eis gefüllten Kühltruhe ("Esky") besorgen, Win-Win also. Wir verbringen einen kurzweiligen Abend mit Cole und Luke und bekommen tiefe Einblicke in das Leben und Arbeiten auf der Station. In den Monaten der Regenzeit leben hier beispielsweise nur sechs Menschen, die vom Rest der Welt abgeschnitten sind und im Notfall von einem Wasserflugzeug oder Hubschrauber evakuiert werden könnten. Zu Beginn der Saison im Februar sind viele Straßen noch überflutet und Luke hat schon ein Auto verloren beim Versuch, einen Fluss zu durchqueren ...

Am nächsten Morgen zeigt Cole Max in der Werkstatt, wie der Reifen richtig geflickt wird, und führt uns zum ungewöhnlichen Nest eines Bower Bird. Das Vogelmännchen baut sein Nest nicht auf einem Baum, sondern auf dem Boden und versucht durch viel Bling-Bling ein Weibchen anzulocken. So wird der Eingang dieses Baus („bower“) mit möglichst hellen und reflektierenden Gegenständen dekoriert, wie Steinchen, Taschentüchern und – offenbar ganz hoch im Kurs – Teelichtern. Die Rainbow Lorikeets wetteifern dagegen lieber darum, wer die meisten Tropfen aus den Rasensprengern abbekommt. FLATSCH! Igitt, da hat doch tatsächlich einer der kunterbunten Vögel Max auf die Schulter gekackt. Wir denken uns nur „Hi Papagei!“

Zu den Zeebeedee Springs führt ein schmaler, moosbewachsener Pfad gesäumt von schattenspendenden Palmen. Ein Bach verbindet kleine Becken, die mit kristallklarem, 28 bis 32 Grad warmen Wasser gefüllt sind. In dieser Idylle lässt es sich gut entspannen. Wir werden es noch brauchen ...

Mit geflicktem Reifen fühlen wir uns gewappnet für den nächsten Abschnitt auf der Gibb. Wir fegen über die Schotterpiste und halten Abstand zur Staubwolke des vor uns fahrenden Fahrzeugs. Als wir vor einer kurzen Flussdurchquerung anhalten - PPPFFFFF! „Auf meiner Seite pfeift es. Wir haben einen Platten.“ - PPPFFFFF! „Auf meiner auch.“ Richtig, beide Hinterreifen sind platt. Die entweichende Luft kreischt uns laut an. Und das nach nur 26 Kilometern des Offroad-Abschnitts auf der Gibb River Road. Ironischerweise hat derselbe Paji mit denselben Reifen vor wenigen Monaten erst die gesamte Gibb gemeistert, mit nur einem einzigen Platten... Innerhalb weniger Minuten sind die Reifen komplett platt. Trotz des inzwischen leergeräumtem Kofferraums schafft es Max nicht, den Wagenheber hochzudrehen. Glücklicherweise kommt uns der Fahrer eines Abschleppwagens zur Hilfe, der einen Geländewagen aus der Gibb abschleppt. Auch er ist bester Laune und mit top Werkzeug ausgestattet. Wir flicken einen der Reifen und tauschen den zweiten gegen den noch am Morgen geflickten Reifen aus. Der Lastwagenfahrer genießt derweil glücklich eines unserer kühlen Biere. Gut, dass wir diese Währung jetzt mit uns führen.

Wir drehen um und fahren im Schneckentempo zurück nach Kununurra, um neue Reifen zu kaufen. Runter von der Gibb River Road und raus aus dem Offroad-Abenteuer. Fürs erste.

An dieser Stelle noch vielen Dank an Stephan für die vielen Tipps rund um die El Questro Station!
Und hier noch ein paar weitere Impressionen: