Meditation Retreat Nilambe

Sri Lanka
04:45 Uhr - GONG Gong Gong - Zügig anziehen, Zähne putzen, Taschenlampe und Regenschirm greifen und auf durch nebelige Dunkelheit zur Dhamma Hall für die morgendliche Gruppenmeditation...

Schon die Anreise zu unserem sechstätigen Meditation Retreat ist ein Erlebnis. Das buddhistische Nilambe Meditation Center liegt in den einsamen Bergen südlich von Kandy. Unser Bus rast die immer enger werdenden Serpentinen mit offenen Türen hinauf und liest ab und zu Fahrgäste an der Straße auf oder setzt jemanden ab, wobei er kaum stehen bleibt. An der Office Junction, die aus einem Schild und einem kleinen Laden mitten im Regenwald besteht, steigen wir aus und nehmen ein Tuk Tuk weitere 3 Kilometer steil den Berg hinauf auf einem schmalen, unwegsamen Pfad voller Steine und Schlaglöcher durch den Regenwald und vorbei an Teeplantagen. Wir sind beeindruckt von der Leistung des winzigen Tuk Tuks und seines Fahrers.


Am Nilambe Meditation Center angekommen, werden wir von einem gepflegten exotischen Garten inmitten einiger Gebäude empfangen – und von Stille. Der Leiter des Centers Upul begrüßt uns freundlich, nimmt unsere Wertsachen (inkl. Smartphone) zur sicheren Verwahrung entgegen und schon zeigt uns ein Mönch die Räumlichkeiten: Küche, Meditationssaal (Dhamma Hall), Yogasaal sowie separate Wohn- und Aufenthaltsbereiche für Frauen und Männer mit sehr einfach gehaltenen Unterkünften.


Nach einem Tee werden wir im Meditationssaal von der aus England stammenden Retreat-Leiterin Schwester Khema begrüßt und gemeinsam mit den etwa 15 anderen Teilnehmern in den Stundenplan eingewiesen, der in den nächsten Tagen minutiös unseren Tagesablauf bestimmen soll.


04:45     Aufweck-Gong
05:00     Gruppenmeditation
06:00     Tee
06:30     Yoga (mindfulness in motion)
07:30     Frühstück
08:00     Meditation beim Arbeiten (working meditation)
09:30     Gruppenmeditation
11:00     Vortrag
12:00     Mittagessen
14:00     Meditation beim Arbeiten
14:30     Gruppenmeditation
15:30     Tee
16:30     Gruppenmeditation und Interviews
17:30     Meditation im Gehen
18:00     Snack
18:40     Mantra-Gesang (devotional chanting)
19:00     Gruppenmeditation
20:00     Gruppendiskussion
21:00     Nachtruhe

Kernbestandteil des Retreats sind die mehrmals täglichen Gruppenmeditationen im Meditationssaal, bei denen es um innere Ruhe und einen klaren Geist geht. Hierbei gibt es zunächst relativ wenig Anleitung und unsere Vorkenntnisse und -erfahrungen erweisen sich als hilfreich. Wir alle empfinden es anfangs als große Herausforderung, stundenlang reglos mit geschlossenen Augen dazusitzen und dabei weder in Gedanken abzudriften noch schläfrig zu werden.


Daneben gilt das Schweigegebot, um unsere Achtsamkeit zu schulen und Ablenkungen zu vermeiden. Auch wenn das Schweigen anfangs sehr ungewohnt ist und wir gerne mehr über die anderen Teilnehmer erfahren würden, empfinden wir die Stille zunehmend als angenehm und einfach. Dies wird uns besonders bewusst, als am vierten Tag eine kleine Gruppe Chinesen das Center besucht und lautstark plappernd über das Gelände spaziert.


Achtsamkeit steht nicht nur beim Meditieren im Mittelpunkt, sondern auch beim Yoga (im Center bewusst als „mindfulness in motion“ bezeichnet), wo uns die spanische Yogalehrerin Verónica in verschiedene Meditationssitze einweist und der Fokus ansonsten auf der Stärkung der Rückenmuskeln liegt. Auch beim Essen, beim Gehen und bei der Meditation im Arbeiten geht es um Achtsamkeit und bewusste Wahrnehmung. Zweimal täglich gehen wir unseren jeweiligen Arbeiten nach. Wir sind beide fürs Sweeping, also das Kehren der Wege zuständig, und zwar Anna im Aufenthaltsbereich der Frauen und Max in dem der Männer. Es ist erstaunlich, wie viele Blätter die Bäume im immergrünen Regenwald täglich verlieren. Außerdem hilft Max an einigen Tagen, Dachabeckungen zu einem im Bau befindlichen Gebäude über das Gelände zu tragen.


In ihren Vorträgen erläutert Khema interessante Themen wie Bewusstsein, buddhistische Gebote und Prinzipien, Entscheidungsfindung, Leben und Erleuchtung Buddhas, Vergebung, Dankbarkeit und gewandte Rede. In den Gruppendiskussionen am Abend tauschen wir uns über unsere Erfahrungen, Fortschritte und Eindrücke aus. Dies ist die einzige Zeit des Tages, zu der wir das Schweigen brechen. Zusätzlich hat jeder von uns die Gelegenheit, in einem 15-minütigen Interview persönliche Fragen rund ums Thema Meditation mit Khema zu besprechen. Weitere Einblicke in den Buddhismus bekommen wir allabendlich während wir Mantras in Pali singen, wobei besonders in den ersten Tagen ein koreanischer Mönch mit kraftvoller, schöner Stimme den Ton angibt. Die Lautschrift ist der deutschen Aussprache erstaunlich ähnlich und da die englische Übersetzung in den Gesangsheftchen mit angegeben ist, können wir auch die Inhalte nachvollziehen.


Zum Frühstück und zu Mittag werden abwechslungsreiche sri lankische Mahlzeiten aufgetischt, die durchgehend vegetarisch sind und köstlich schmecken. Es gibt im Sinne der Einfachheit und Genügsamkeit immer genau ein Gericht mit mehren Beilagen in ausreichender aber nicht üppiger Menge und als Nachtisch meistens frische Südfrüchte. Unser beider Lieblingsgericht gibt es zu unserer großen Freude sogar zweimal zum Frühstück: eine Art Kokosmilchreis mit gerösteten Erdnüssen, Datteln und Bananen. Abends gibt es nur einen Snack, meist bestehend aus Brot, Crackern, Butter und Marmelade. Da es keine Tische gibt, essen wir im Schneidersitz auf den Bänken in oder außerhalb der Küche sitzend. Auch hier üben wir uns in Achtsamkeit und werden uns ganz neuer Geschmacksempfindungen bewusst.


Das Gelände des Meditation Centers nimmt ein tropischer Garten voller exotischer Pflanzen ein, in dem es immer wieder Neues zu entdecken gibt und dem unterschiedlichste Regenwaldbewohner ihren Besuch abstatten: so unter anderem bunte Schmetterlinge, Spinnen, Ceylon-Hühner, riesige bläulich-schwarze Brummkäfer, Frösche, Glühwürmchen, einmal sogar eine Schlage und ein stattlicher Skorpion, der direkt an unserer Bank vorbei krabbelt. Die Geräuschkulisse wird von einem Zwitscher-Quak-Zirp-Konzert bestimmt, das je nach Tageszeit von einer anderen Tierart dominiert wird. Fast täglich kommt eine Horde Makaken-Affen vorbei, die im Garten munter Jackfruits verspeist und ein lustiges Affentheater - oder mitunter auch gerne während unserer Meditationssitzungen auf dem Dach der Dhamma Hall ein Heidenspektakel - veranstaltet. Dabei können sich dann nur die Profis noch aufs Meditieren konzentrieren.


Das Wetter unterliegt während unseres Aufenthalts einem enormen Wandel. Anfangs liegt das Center meist im Nebel und wird immer wieder urplötzlich von heftigen Tropenschauern heimgesucht, weshalb wir ohne Regenschirm nicht vor die Tür gehen. Zunehmend lichten sich die Wolken und die Sonne kommt hervor, die den Garten in verschiedensten Grüntönen strahlen lässt und herrliche Ausblicke auf die Berge am Horizont eröffnet. So ist das Wetter in gewisser Weise ein Spiegel unserer Fortschritte beim Meditieren. Außer der stimmungshebenden Wirkung der Sonne nach Tagen des Nebels hat das schöne Wetter einen weiteren entscheidenden Vorteil: es sind keine Blutegel (leeches) mehr unterwegs. Diese kommen hier häufig bei regnerischem Wetter vor haben uns alle in den ersten Tagen gepiesackt. Anna hatte schon Minuten nach der Ankunft das erste Blutegel und nach dem Retreat insgesamt drei, Max neun Blutegelbisse. Immerhin übertragen die Egel keine Krankheiten und auf dem Steinpflaster bewegten sie sich sogar wie süße Raupen fort, aber sobald sie uns zu nahe kamen, fanden wir sie einfach nur noch eklig und lästig.


Am Tag der Abreise dürfen wir beim Check-out offiziell das Schweigen brechen und uns wieder unterhalten. Es ist wie die Auflösung eines Rätsels zu erfahren, wer von den anderen woher kommt und mit wem zusammen (unterwegs) ist. Nachdem wir in den vorangegangen Tagen immer mal wieder Hinweise sammeln konnten, gibt es einige Überraschungen: Die vermeintlich Schweizer Biologin mit dem „Biology – Univeristy of Geneva“-Pulli kommt aus Tschechien und ihr Begleiter ist ihr Verlobter. Wir wären sogar zu ihrer Hochzeit an der Ostküste Sri Lankas eingeladen gewesen, wenn wir dann nicht schon in Australien gewesen wären. Das vermeintlich italienische Pärchen kommt aus der Schweiz. Der vermutete Engländer ist aus Australien, war gerade in Kolumbien surfen, hat deshalb ein Surfbrett dabei und spricht aufgrund eines Austauschs Deutsch. Interessanterweise sind viele von uns auf Weltreise, wobei für die meisten das Retreat das Ende und nicht wie bei uns den Anfang der Reise markiert. In zwei Sammeltaxis fahren wir zurück nach Kandy, wo sich unsere Wege nach einem interessanten und herzlichen Austausch wieder trennen. Am Busbahnhof werden wir von den vielen lauten Geräuschen und Eindrücken geradezu überwältigt, wo wir doch gerade tagelang ausschließlich von Stille und Naturgeräuschen umgeben waren.


Unser Fazit: Das Retreat war für uns eine sehr eindrucksvolle Erfahrung. Die ausgiebigen Meditationssitzungen, den ganzen Tag über achtsam zu sein und überraschenderweise auch das Schweigen waren für uns eine große Bereicherung. Auch wenn es zunächst mehr als gewöhnungsbedürftig war, in sehr einfachen Unterkünften zu wohnen, unsere Smartphones abzugeben und nur noch im Notfall zu sprechen, lernten wir dieses Fehlen von Ablenkungen während des Retreats immer mehr zu schätzen. Im Stundenplan hätten wir uns lediglich eine halbe Stunde mehr zur freien Verfügung gewünscht.


Hier noch ein paar praktische Hinweise, falls jemand von euch jetzt Lust auf ein Meditation Retreat bekommen hat. Auf der Website des Nilambe Buddhist Meditation Center findet ihr alle Infos zu den hier stattfindenden Retreats. In diesem Center sollte man sich auf eine einfache Unterkunft einstellen, auf jeden Fall Taschenlampe und Regenschirm mitbringen, am besten auch einen Schlafsack und geschlossene Schuhe. Seife an den Rändern der Schuhsohlen hält übrigens die Blutegel fern – meistens. ;-)


Und wie immer noch ein paar weitere Impressionen:

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